Mittlerweile ist TikTok hierzulande den meisten ein Begriff und aus der Social-Media-Landschaft nicht mehr wegzudenken. 2020 hat die Kurzvideo-App, auf der sich vorwiegend jüngere Nutzerinnen und Nutzer tummeln, den Rekord von zwei Milliarden Downloads geknackt und war im ersten Quartal die erfolgreichste App in den App-Stores. Mit 800 Millionen Nutzer*innen weltweit ist TikTok nach Facebook, Youtube und Instagram mittlerweile die viertgrößte Social-Media-Plattform. In Europa nutzen TikTok mittlerweile mehr als 100 Millionen Menschen mindestens einmal pro Monat. 69 Prozent der aktiven Nutzerinnen und Nutzer sind zwischen 16 und 24 Jahren alt und sorgen für eine durchschnittliche Verweildauer, die in Deutschland immerhin bei 50 Minuten pro Tag liegt. Auch von der Coronakrise hat die App profitiert – das starke Wachstum von TikTok ist ungebrochen.
Im vergangenen Jahr haben wir bereits ausführlich über die Kurzvideo-App TikTok berichtet und gezeigt, was sie von anderen Social-Media-Plattformen unterscheidet und wie Unternehmen TikTok nutzen können (s. SocialHub Mag, Ausgaben Nr. 11 und 12). Mit diesem Update möchten wir einen kurzen Überblick über aktuelle Entwicklungen und Trends auf der Plattform geben. Denn eins steht fest: Es wird nicht langweilig um TikTok. Die Plattform sorgt immer wieder für Schlagzeilen und marschiert mit seinen unterhaltsamen und schnell zu konsumierenden Kurzvideos zügig in Richtung Mainstream. Gleichzeitig spricht TikTok mit der Förderung von professionelleren und seriöseren Inhalten nicht nur ältere Zielgruppen und Eltern verstärkt an, sondern wird auch für Unternehmen als potenzielle Werbekunden immer interessanter. So erweitern immer mehr Unternehmen ihr Social-Media-Marketing-Repertoire um eigene TikTok-Accounts sowie mithilfe von Influencer Marketing und gezielten Hashtag-Kampagnen. Falls sie es bisher noch nicht getan haben, sollten sich Unternehmen spätestens jetzt mit der Plattform auseinandersetzen und sich fragen, ob TikTok für sie relevant ist – und mit welcher Art von Strategie sie die Plattform nutzen möchten oder können.
Was passiert mit TikTok in den USA?
Wird TikTok in den USA verboten oder zerschlagen? Diese Frage dominierte die Berichterstattung um TikTok in den vergangenen Monaten und treibt derzeit viele Nutzerinnen und Nutzer um. Während die Trump-Regierung die App im vergangenen Herbst in den USA verbieten lassen und den chinesischen Betreiber ByteDance in den USA zu einem Verkauf an ein US-Unternehmen zwingen wollte, konnte ein Verbot im November gerade noch ausgesetzt werden. Nachdem eine Bundesrichterin in Pennsylvania Ende Oktober eine einstweilige Verfügung gegen das Verbot erlassen hatte, kann TikTok nun in den USA vorerst weiter genutzt werden. Obwohl ByteDance zuletzt mit Oracle und Walmart verhandelt hatte, wurden bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses keine Einzelheiten bezüglich eines abschließenden Deals bekannt. Die juristischen Auseinandersetzungen um ein mögliches Verbot werden also noch eine Weile weitergehen, bis die Zukunft von TikTok in den USA endgültig geklärt ist.
Influencer Marketing wird sich professionalisieren
„Keine Plattform bietet aktuell ein größeres Potential für Creator und Influencer als TikTok,“ schreibt die auf Influencer Marketing spezialisierte Wiener Agentur OnlinePunks. Für angehende Influencer*innen und Creators gilt TikTok als derzeit heißeste Plattform neben Instagram – auch wenn und weil sie ganz anders funktioniert. Bei TikTok sind Viralität (auch von bisher unbekannten Accounts) und großes Wachstum innerhalb kurzer Zeit möglich. Das haben zahlreiche neue Creators im deutschsprachigen Raum gezeigt, die zuletzt innerhalb weniger Monate auf zum Teil Millionen Follower anwuchsen. Auf welcher anderen Plattform wäre dies noch möglich?
Auch immer mehr von Instagram bekannte Creators und Marken sind auf TikTok präsent und treiben die Entwicklung in Richtung Mainstream mit voran. Diese Entwicklungen tragen neben anderen Faktoren wie Zielgruppen und Nutzerzahlen dabei bei, dass TikTok zunehmend interessant für Marketer wird. Insbesondere Influencer Marketing auf TikTok bietet derzeit großes Potential, da es noch relativ am Anfang steht und Early Adopter-Vorteile wie relativ günstige Preise für viel Reichweite bietet. Eine erfolgreiche Umsetzung gelingt jedoch nur, sofern man sich mit den speziellen Funktionsweisen von TikTok auseinandersetzt und von vornherein auf plattformspezifische Kreativität und Storytelling setzt. Angesichts der aktuellen Entwicklungen ist zu warten, dass sich Influencer Marketing auf TikTok in den kommenden 12 Monaten weiter etablieren und professionalisieren wird.
TikTok kann auch seriösere Inhalte
Dass es auf TikTok mehr gibt als nur Quatsch- und Tanzvideos von Kindern und Jugendlichen, wird jede/r von uns, der/die häufiger auf der Plattform unterwegs ist, bereits bemerkt haben. Der Trend geht nicht nur zu einer Verbreiterung des Altersspektrum der Nutzerinnen und Nutzer, auch die Themenvielfalt vergrößert sich. Von epischen Travel-Videos à la Instagram (wie beispielsweise bei @frauki) bis hin zu Kunst (der Niederösterreicher Christoph Brückner alias @condsty wurde mit einfachen Filzstift-Zeichenvideos zum TikTok-Star) oder Fachwissen von Expert*innen (wie bei Fotograf @charly_schwarz oder @lehrer.schmidt) spiegelt die Plattform mittlerweile eine große Bandbreite wider.
Der Trend hin zu seriöseren Inhalten mit Mehrwert wird auch von TikTok selbst gefördert. So startete TikTok im Sommer 2020 das 4,5 Millionen Euro teure Programm #LernenMitTikTok, das den Nutzerinnen und Nutzern leicht verständlich aufbereitete Lerninhalte zur Verfügung stellen soll. Dabei arbeitet TikTok mit Influencer*innen, Pädagog*innen und Expert*innen zusammen. Die lehrreichen und unterhaltsamen Kurzvideos zu vielfältigen Themengebieten sollen beweisen, dass das spielerische Vermitteln von Wissen auch in unter 60 Sekunden möglich ist – von schulischem Fachwissen bis zu Medizin, Recht, DIY oder Life Hacks. Begleitet wurde die Aktion von einer #TeileDeinWissen-Hashtag-Challenge, an der sich alle TikTok-Nutzerinnen und -Nutzer beteiligen konnten. Der Trend hin zu einer Diversifizierung von Inhalten wird auch in Zukunft weitergehen und von TikTok unterstützt werden. Wir sind jedenfalls gespannt!

Neue Funktionen für mehr Jugendschutz
Nicht nur die gezielte Förderung von professionelleren und seriöseren Inhalten durch TikTok, etwa durch die #LernenMitTikTok-Kampagne, wird Eltern gefallen. Da der Großteil der Nutzerinnen und Nutzer nach wie vor sehr jung ist, sind Eltern ebenfalls eine wichtige Zielgruppe, auf die TikTok reagiert. So führte TikTok Anfang 2020 in Europa den Begleiteten Modus ein, der Eltern und Erziehungsberechtigte erlaubt, diverse Sicherheitseinstellungen in den Accounts ihrer Kinder vorzunehmen und etwa die Nutzungszeit oder Kontaktmöglichkeiten einzuschränken. Ende 2020 erhielt der Begleitete Modus weitere Features, mit denen Erziehungsberechtigte zum Beispiel einstellen können, wer die Videos der Jugendlichen kommentieren darf oder wer gelikte Videos im Profil sehen darf.
TikTok wird politischer
TikTok wird oft auf den Status einer reinen Spaß-App für Belangloses und Unterhaltsames reduziert. Dabei ermöglicht es die App jungen Nutzerinnen und Nutzern durchaus, sich mit politischen Themen auseinanderzusetzen – auf ihre Weise, versteht sich. Dass sich TikTok politisiert, zeigte sich etwa bereits im Zuge der „Black Lives Matter“-Proteste, aber besonders auch in Zusammenhang mit der US-Präsidentschaftswahl im November. In abertausenden Beiträgen von ernst bis humorvoll wurde das knappe Rennen zwischen Biden und Trump verfolgt, analysiert und kommentiert. Es wurde zur Stimmabgabe aufgerufen, das Wahlsystem wurde erklärt und Ergebnisse ad hoc analysiert – und natürlich wurden auch jede Menge Witze gerissen und Tänzchen getanzt. Zum Interagieren und Kommentieren wurde gern die „Duet“-Funktion genutzt, aber auch TikToks Live-Funktion begleitete die Wahlnacht.
TikTok – eine neue Form der politischen Kommunikation?
Da bei TikTok theoretisch jedes Video unabhängig von der Größe der Followerschaft viral gehen kann, kann theoretisch auch jede*r am politischen Diskurs partizipieren. Eine Besonderheit dabei ist, dass die TikTok-Nutzerinnen und -Nutzer in ausgeprägterem Maße selbst zu Produzent*innen politischer Inhalte werden (in denen sie als Teil ihrer Videos selbst stattfinden) als auf anderen Plattformen, wo das Teilen und Kommentieren politischer Inhalte dominiert.
So konstatierte die Studie „Dancing to the Partisan Beat: A First Analysis of Political Communication on TikTok“ der TU München anhand einer Analyse im Vorfeld der US-Wahl nicht nur, dass es bei TikTok einen eigenen Mikrokosmos politischen Contents gäbe, sondern auch, dass auf TikTok „eine neue Form der politischen Kommunikation“ stattfinde, die eng mit der spezifischen Funktionsweise der Plattform zusammenhänge: „TikTok users do not just merely circulate content and comment it; they become the content. … TikTok users become active presenters of political information. Every TikTok user is a performer who externalizes personal political opinion via an audiovisual act, with political communication becoming a far more interactive experience than on YouTube or Instagram.“
Text: Susanne Maier
Screenshots: Redaktion
Anna Maucher über Alex Iby auf Unsplash
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Quellen:
https://reports.onlinepunks.com/de/tiktokCreators/
Download Studie „Dancing to the Partisan Beat: A First Analysis of Political Communication on TikTok“: https://arxiv.org/pdf/2004.05478.pdf
https://www.futurebiz.de/artikel/tiktok-statistiken-2019/
https://newsroom.tiktok.com/de-de
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/tiktok-155.html
https://sz.de/1.5107474
https://sz.de/1.5092713
https://www.zeit.de/campus/2020-11/tiktok-us-wahl-politische-plattform
https://www.wuv.de/marketing/tiktok_will_zur_lern_plattform_werden
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