Social-Media-Krisenkommunikation während Corona

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Ein Interview mit Miriam Ernst, Miriam Ernst Consulting

Unternehmen mussten seit Beginn der Coronakrise in einer Situation kommunizieren, die es so noch nie gab. Wie macht man das?

Miriam: Mit viel Feingefühl, Positivität und Mut fördernder Kommunikation. Man sollte Chancen durch die Herausforderung aufzeigen, neue Ideen entwickeln, ein Kollektivgefühl bzw. eine Einheit erzeugen, zum Beispiel durch die Nutzung von Hashtags wie #wirbleibenzuhause. Wichtig ist die Glaubhaftigkeit, niemals zu gefährden und immer ehrlich und offen zu kommunizieren.

Worauf muss man speziell im Fall Corona bei der Krisenkommunikation achten? Was sind/waren die größten Herausforderungen?

Miriam: Speziell im Fall Corona lag die größte Schwierigkeit darin, dass es so eine Situation vorher noch nie gab und sich somit auch niemand darauf vorbereiten konnte. Die Menschen hatten so viele Fragen, die die Community Manager überhaupt nicht alle beantworten konnten. „Wann geht es weiter?“, „Wie geht es weiter?“, usw. 

Zudem ist der richtige Zeitpunkt der Kommunikation extrem wichtig. Wenn es darum geht, negative Auswirkungen zu kommunizieren, ist es wichtig auf eine sachliche, klare und aktive Kommunikation zurückzugreifen. Es ist wichtig, die erste Stimme auf dem Markt zu sein, um Fake News und Gerüchten keine Chance zu geben. Wichtig ist auch, das Thema nicht einfach zu ignorieren, sondern lieber die Community durch aktive Einbindung zu stärken. Man sollte nicht zu lange auf den negativen Fakten herumreiten, sondern lieber schnell positive Zukunftspläne, Chancen und Lösungsansätze kommunizieren. So im Beispiel Corona neue Wege über Digitale Events wie z.B. digitale Wein und Bier Tastings schaffen. Jetzt möchte auch niemand mehr über die Corona-Zeit hören, sondern lieber über das „New-Normal“ diskutieren.

Wie kann man sich als Unternehmen bereits im Vorfeld auf ähnliche Krisenszenarien vorbereiten? 

Miriam: Jedes Unternehmen sollte Krisenszenarien erstellen und hierzu klare Schritte in der Kommunikation definieren. In Europa hat niemand mit so einem Risiko gerechnet, dennoch waren diejenigen Unternehmen im Vorteil, die sich auf Krisen vorbereitet hatten. Es muss also klar sein, wie das Unternehmen mit einer Krise umgeht: Wer kommunizieren darf, wie kommuniziert wird und welche Freigabeprozesse benötigt werden. Ich definiere für neue Kunden immer so genannte Kommunikations- und Social-Media-Policies. Darin werden die Mitarbeiter zum einen motiviert, selbst aktiv auf Social Media zu sein, zum anderen wird aber auch klar definiert, dass deren Aussagen von denen des Unternehmens klar zu trennen sind. Auch sollten in Krisenzeiten nur vom offiziellen Unternehmensaccount Informationen veröffentlicht werden. Das ist wichtig, damit das Unternehmen sich klar positionieren kann. 

Die Freigabeprozesse in der Krisenkommunikation dauern oft sehr lange, daher sollte auch hier so früh wie möglich an einem Konzept gearbeitet werden, das eine schnelle Antwort gerade in Social Media ermöglicht. Dabei hilft es, allgemeine Statements vorzubereiten, die nur minimal angepasst werden müssen. Zu Beginn einer Krise sollten Fragen der Community gesammelt und Textblöcke erstellt werden, mit denen die Community Manager schnell und relativ frei agieren können.

Social Media spielten in der Corona-Krisenkommunikation eine wichtige Rolle. Inwiefern sind gerade Social-Media-Kanäle für die Krisenkommunikation im Fall Corona geeignet? 

Miriam: Social Media begleitet fast täglich das Leben vieler Menschen. Somit ist es das Medium, auf dem Unternehmen am schnellsten ihre Community erreichen, und zwar ohne, dass sie auf die Presse angewiesen sind. Hier kann ich als Unternehmen klar und deutlich meine Botschaft kommunizieren, ohne dass ein Verlag meine Antwort fehlinterpretieren kann. Das birgt Vorteile wie Nachteile: Social Media ist ein schnelllebiges Medium, auf dem man auch auf negatives Feedback und Reaktionen vorbereitet sein sollte. Social Media bietet aber auch die Chance, gerade in Krisenzeiten Communities extrem zu stärken. Mit spielerischen, kreativen und auch emotionalen Content-Ideen kann man gerade in Krisenzeiten ein Statement setzen und die Bindung an die eigene Marke stärken.

Welche Social-Media-Plattformen und Content-Formate lassen sich in der Praxis konkret für die Krisenkommunikation einsetzen? 

Miriam: Hier gelten die gleichen Regeln wie in jeder Art der Kommunikation: Es sind die Kanäle relevant, auf denen ich die Zielgruppen erreiche. In allumfassenden Krisen wie im Fall Corona ist jedes Medium, das ein Unternehmen nutzt, relevant. Jedoch muss auf jedem Kanal unterschiedlich kommuniziert werden. Man sollte also besser nicht die gleiche Message von TikTok auch über LinkedIn spielen. 😉

Wenn ein Unternehmen im B2B-Bereich tätig ist und täglich mit seiner Zielgruppe über LinkedIn kommuniziert, dann ist das auch der Kanal, um in Krisenzeiten Meinungen, Ziele, Fakten und News zu kommunizieren. Wenn ich ein Fashion-Unternehmen bin und eher eine junge Zielgruppe anspreche, dann kann Instagram oder auch TikTok der bessere Kanal sein. Das gleiche gilt für die Formate: Grundsätzlich läuft Video zwar auf allen Plattformen besser. Wenn ich es als Unternehmen jedoch nicht schaffe, die Informationen gut in einem Video zu vermitteln, dann sollte ich ein anderes Format wählen. Vielleicht gelingt es meiner Kreativabteilung besser, ein Bild zu erstellen, das die Situation passend ausdrückt, als der Presseabteilung einen geeigneten Text.

Wie sieht ein gutes Vorgehen in der Social-Media-Krisenkommunikation im Fall Corona aus? 

Miriam: Vor der Krise:

  • Social-Media-Guideline erstellen und mit Mitarbeiter*innen teilen.
  • Einen schnellen Weg zur Freigabe von Antworten in Krisenzeiten definieren.

Zu Beginn der Krise:

  • Klare Statements definieren, die nicht fehlinterpretiert werden können (siehe Beispiel von Coca Cola).
    Diese Statements können gut an einer kleinen Gruppe getestet werden, um von den Reaktionen zu lernen, bevor sie veröffentlicht werden.


  • Alle Fragen beantworten. Wenn diese nicht beantwortet werden können, einen Zeitrahmen festlegen.
  • Einen Antwortkatalog entwickeln, den die Community Manager frei nutzen können.
  • Positivität streuen und Mut machen, zum Beispiel wie bei Jägermeister.
  • Gemeinsamkeiten finden und an diese appellieren, zum Beispiel durch eine passende Kampagne (siehe Beispiel Jägermeister). 
  • Hilfestellungen bieten (siehe Aktionen/Kampagnen von Jägermeister oder Coca Cola).

Während der Krise:

  • Wege finden, die Krise zu erleichtern. Wenn möglich Humor einbauen, wie zum Beispiel bei Iceland oder Rotkäppchen.
  • Nicht zu lange auf dem Thema rumreiten, sondern lieber neue Wege und Ziele definieren.

Nach der Krise:

  • Eine Auswertung machen: Was ist gut gelaufen, was nicht? Wo kann man sich in der Zukunft verbessern? Was lernen wir aus der Krise? 
  • Wenn ein Fehler passiert ist, diesen klar ansprechen und sich nicht rausreden.

Eine Krise bringt immer auch Chancen mit sich. Inwiefern konnten Unternehmen diese z.B. während der Coronakrise nutzen? Inwiefern können sie dank guter Krisenkommunikation eventuell sogar gestärkt aus der Krise hervorgehen?

Miriam: Viele Unternehmen haben jahrelang auf Digitalisierungsstrategien verzichtet oder diese immer in die Zukunft geschoben. Einige Unternehmen wie zum Beispiel die Steinbeis SMI Universität haben innerhalb von zwei Wochen ihr komplettes Offline-Programm digitalisiert und somit auch für die Zeit des „New-Normal“ Chancen, weitere Studenten aufzunehmen, die nicht immer vor Ort teilnehmen können. Andere Unternehmen haben sich einen neuen digitalen Geschäftszweig aufgebaut oder sich umorientiert und gezeigt, dass sie agil genug sind, um in Krisenzeiten schnell zu reagieren. Wir lernen, dass es gut ist, sich nicht nur auf einen Geschäftszweig zu verlassen, sondern kontinuierlich mit der Zeit zu gehen und neue Chancen wahrzunehmen. Und das, bevor die Krise einen dazu zwingt! Ein schönes Beispiel ist auch Harpers Bazaar. Das Magazin hat ein Heft komplett ohne Fotoshootings herausgebracht und die Shootings durch Illustrationen ersetzt. Durch dieses Statement wurde der Verkauf des Hefts sogar enorm angekurbelt.

Gemeinsamkeiten finden und an diese appellieren, oder Hilfestellungen bieten, zum Beispiel durch eine passende Kampagne, zeigen die Beispiele von Jägermeister, Rotkäppchen und Inspired by Iceland. Das Magazin Harper’s Bazaar machte aus der Not eine (kreative) Tugend und produzierte aufgrund des Lockdowns ein Magazin ganz ohne Shootings, die einfach durch Illustrationen ersetzt wurden.

Welche Unternehmen haben während der Coronakrise aus deiner Sicht besonders gut via Social Media kommuniziert?

Miriam: Besonders gut haben es meiner Meinung nach drei Unternehmen gemacht: 

  1. Coca Cola, die direkt zu Beginn verstanden haben, dass es wichtig ist, klare Statements zu setzen.
  2. Jägermeister, die es geschafft haben, über ihren Instagram-Kanal Positivität zu streuen und die Community auch mit kleinen Tipps und Botschaften zu unterstützen, um die Zeit zu Hause zu genießen.  
  3. Iceland Tourismus, die die Frustration der Menschen erkannt haben und dieser mit charmantem Humor einen Ausweg bieten.

Was sollten Unternehmen jetzt tun, die sich auf etwaige künftige Krisen vorbereiten möchten?

Miriam: Aus den Fehlern und guten Beispielen von anderen Unternehmen lernen. Offen für Change Management im Unternehmen sein. Aktiv auf Wandel, Veränderungen und Krisen reagieren, Lösungsideen und neue Entwicklungen im Unternehmen integrieren. Wer keine Policy und keinen Krisenprozess hat, sollte spätestens jetzt einen aufstellen und für die Zukunft planen, wie das Unternehmen in Krisenzeiten reagieren soll. 


Miriam Ernst, Miriam Ernst Consulting

Miriam Ernst ist selbstständige Marketing- und Kommunikationsberaterin mit Fokus auf Social Media und Digitalisierung. Seit mehr als sechs Jahren ist sie für Unternehmen in der Tourismus-, Mode-, Lifestyle-, Finanz- und Automobilbranche tätig. „Meine Strategien sind Synonym für alles, das emotional ist und zeigen Wege auf, um einzigartige oder persönliche Geschichten oder thematisch schwierige Botschaften richtig zu kommunizieren.“ Hierzu gehört auch die Kommunikation und das Marketing in Krisenzeiten. Wir haben Miriam zur Krisenkommunikation während der Coronakrise befragt. 


Wir bedanken uns für das Interview!

Das Interview führte Susanne Maier.

Fotos & Screenshots: Miriam Ernst Consulting, Redaktion.
Titelbild: Anna Maucher über  Karsten Winegeart auf Unsplash  

Dieser Artikel erschien zuerst im SocialHub Mag – lade dir unser Social Media-Magazin hier kostenlos herunter!

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