Community Management: Mit kritischen Kommentaren besser umgehen

0
5295

TEILEN - Spread the Love!

Eine der wichtigsten (und häufig unterschätzten) Aufgaben im Social Media und Community Management ist der Echtzeit-Dialog mit anderen Nutzer*innen bzw. die Moderation von Social Media-Kommentaren und Anfragen. Dass dies im Community Management nicht immer so leicht ist, wie es sich anhört und häufig auch zu schwierigen Situationen führt, davon können einige von euch sicherlich ein Lied singen. Social Media-Kommunikation ermöglicht zwar unmittelbares Feedback und direkten Austausch, sie ermuntert aber auch zum Äußern von Kritik und bringt Trolle und Hater hervor. Auch wenn die meisten Unternehmen es sich vermutlich wünschen würden, ist das Feedback in Social Media nicht immer positiv. Die Bandbreite negativer Kommentare reicht von ernstzunehmender Kritik und Kundenbeschwerden über Äußerungen von Trollen bis zu Hate Speech und Verstößen, die zur Strafanzeige gebracht werden sollten. Wir finden: Der angemessene Umgang mit diesem Thema ist im Community Management immer aktuell und der Austausch dazu wichtig. Wir haben daher erfahrene Mitglieder unserer Community gefragt, wie man es schafft, mit kritischen Kommentaren angemessen umzugehen und auch angesichts persönlicher Angriffe möglichst nicht durchzudrehen, und euch wertvolle Tipps zusammengefasst. 

Wie geht man am besten mit negativen Kommentaren und Hasskommentaren um?

Manuela Braun, Social Media & Content Managerin, MyHammer AG

Manuela: Hier würde ich zunächst zwischen negativen und Hasskommentaren unterscheiden. Ersteres kann eine berechtigte Kritik sein, die zu einer Lösung führen kann, während letzteres ausschließlich dazu dient zu diskreditieren und nichts Konstruktives mitbringt. Die Herangehensweise ist in beiden Fällen unterschiedlich. 

Negative Kommentare sollten prinzipiell erst einmal als herkömmliche Kundenbeschwerde betrachtet werden. Hier hilft, sich in den/die Nutzer/in einzufühlen und zu verstehen, warum er oder sie so verärgert ist, und dann entsprechend nach einer Lösung zu suchen. Dabei sollte man sich die Fragen stellen: Warum äußert sich der Kunde negativ? Handelt es sich um ein bekanntes Problem oder ein Missverständnis zwischen Kunde und Unternehmen? Kann man den Fall lösen? Und wenn ja, geht dies öffentlich auf der Seite oder muss es z.B. aus Datenschutzgründen per DM bzw. Mail oder Telefon gelöst werden? 

Je nachdem, wie man an die Sache herangeht, kann man einen negativen Kommentar leicht in einen positiven ändern. Der Umgang mit kritischen Kommentaren hängt auch auch stark davon ab, in welcher Tonalität diese geschrieben sind und ob die betreffende Person sich schon mehrmals zum selben Thema so geäußert und z.B. alle bisherigen Lösungen abgelehnt hat (Stichwort: Troll). In diesem Fall sollte die betreffende Person ignoriert werden. Wichtig ist, die Person weiter zu beobachten und im Zweifel auch zu blocken, das sollte aber der wirklich letzte Ausweg sein. Je nach Plattform hat man auch die Möglichkeit, die Kommentare eines Trolls auszublenden, so dass es zu keinen weiteren Eskalationen kommen kann und der Troll früher oder später gelangweilt weiterzieht.

Hasskommentare hingegen sollte man einmal lesen, dann tief durchatmen, sich sagen, dass es nicht gegen einen selbst gerichtet ist und dass diese Menschen ein so trauriges Leben haben, dass nur noch der Hass ihnen einen Grund gibt, morgens aufzustehen. Dann sollte man je nach Inhalt und Wortwahl den Beitrag löschen und an die jeweilige Plattform melden oder zur Mäßigung aufrufen. Dies wird zwar häufig ignoriert, liefert aber eine Vorlage, um den User gerechtfertigt zu sperren. Leider machen die wenigsten Seiten davon Gebrauch und lassen alles Mögliche unter ihren Beiträgen geschehen.

 


Markus Edelberg, Social Media Manager DACH, EMS Electro Medical Systems GmbH

Markus: Normale negative Kommentare behandle ich immer sorgfältig unter Einbeziehung entsprechender fachspezifischer Ansprechpartner. Jeder negative Kommentar wird ernstgenommen und sorgfältig abgearbeitet. Da sehe ich zu 100 Prozent den Service-Gedanken und Social Media als letzte Chance, unzufriedene Kunden noch abzufangen.

Bei echten Hasskommentaren differenziere ich: Offenbar strafbare Inhalte werden dokumentiert (Screenshot des Beitrags und Link zum Profil des Verfassers), gelöscht und durchaus auch zur Anzeige gebracht. Nicht strafrechtliche Inhalte bleiben (solange nicht zu geschmacklos), werden aber deutlich beantwortet. Ein Löschen würde hier eine Opferrolle schaffen. Unkommentiert bleibt jedoch nichts stehen immerhin müssen wir auch nach Möglichkeiten verhindern, dass Hasskommentatoren vermeintlich Recht haben, wenn sie unwidersprochen lospöbeln können. Kommentiert wird hier aber immer auf einer absoluten Sachebene, damit man impulsive User von echten Hetzern differenzieren kann.

 


Dennis Schneider, Social Media-Team, Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration Schleswig-Holstein, Landespolizeiamt

Dennis: Verstöße gegen die geltenden Regeln, sei es die eigene Netiquette oder geltendes Recht, müssen Konsequenzen haben. Das läuft für die Community oft im Hintergrund ab. Es ist Aufgabe des Community Managements, diese Konsequenzen dann auch durch entsprechende Moderation transparent zu machen. Insofern sollten negative Kommentare und Hasskommentare nicht ohne Reaktion des Hausherrenbleiben, damit Schweigen nicht als Zustimmung ausgelegt werden kann.

 

 

 


Ulrike Rosina, Community Management, Innenministerium Baden-Württemberg

Ulrike: Meine Haltung zum Thema Hasskommentare hat sich in den letzten drei Jahren stark verändert. Mit Menschen, die nur ihren Hass und ihre Bösartigkeit verbreiten wollen, möchte ich nicht mehr sprechen. Je nach Intensität werden solche Kommentare gelöscht, gegebenenfalls die Verursacher gesperrt, bei strafrechtlicher Relevanz auch angezeigt.

Negative Kommentare sind zwar frustrierend, aber schwer zu verbieten. Idealerweise reagiert hier die Community, die sich ihr Forum nicht verderben lassen will. 

Gute Mittel sind konkrete Gegenfragen, was denn woran genau so schlecht ist – zur Not so lange, bis dem Gegenüber die Lust vergeht. Eine weitere Alternative ist, solche Kommentare nach der ersten Rückfrage, auf die keine Antwort kommt, zu ignorieren. Denn ohne Gegenwind wird auch das schnell langweilig.

 

Inwiefern belasten dich aggressive oder beleidigende Kommentare oder Diskussionen mit Followern auch persönlich?

Manuela: Genau das ist meine große Schwäche. Daher werde ich operativ wohl auch nie zu den allerbesten Community Manager*innen zählen. Ich rege mich ständig über Kommentare auf. Je aggressiver sie sind, desto aggressiver werde ich. Allerdings ist das meist tages- und stimmungsabhängig. Was mir hilft, ist zum einen das Gespräch mit Kollegen und das gemeinsame Lästern über den bösen Kunden und meine Selbsthilfegruppe auf Facebook.

 

 

 


Dennis: Die dauerhafte Auseinandersetzung mit Negativ-Kommentaren ist definitiv belastend. Deshalb sollte man sich bei akuten Shitstorms im Team häufiger ablösen, um auch mal durchatmen zu können. Es gibt immer auch Zuspruch und positive Kommentare von der Community, die blendet man gedanklich nur schneller aus. Deshalb ist die Gefahr groß, bei der Fokussierung auf die negativen Äußerungen den objektiven Blick auf die Kommunikation zu verlieren: Hat es wirklich Substanz, was die Leute hier posten, oder laden sie nur ihren Ärger ab? Es gelingt mir zum Glück, diese Rolle als Blitzableiternach der Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen.

 


Ulrike: Ehrlich gesagt gibt es kaum noch etwas, das mich nach rund 20 Jahren Community Management persönlich trifft – egal, ob Kommentare gegen mich oder gegen das Unternehmen gerichtet sind.

In aller Regel sind die Strategien zu schnell zu durchschauen und ich bin in meinen Reaktionen einen Schritt voraus. Grundsätzlich muss sachliche Kritik am Unternehmen aber möglich sein und als wertvoller Feedback-Kanal gesehen werden. Das versuche ich auch unserem Moderationsteam zu vermitteln: Nehmt solche Kommentare nicht persönlich, sprecht mich an, wenn euch etwas auf dem Magen liegt. Und leitet die massiven Kritiker*innen an unser Postfach weiter, dann kümmere ich mich.

 


Markus: Ganz einfach gesagt: Überhaupt nicht. Eigentlich kein Kommentar richtet sich gegen mich oder unsals Menschen an sich. Warum sollte ich das also persönlich nehmen? Auch hilft ein gewisser Sturkopf: Sobald ich mich über solche Sachen aufrege, hat das Gegenüber zumindest einen Teilsieg errungen und das erreicht, was er oder sie erreichen wollte.

 

 

 

Wie reagiert man am besten auf persönliche Angriffe? Und wie häufig kommt dies vor?

Dennis: Wir haben bei uns keinen persönlichen Moderationsstil, also ist auch keiner im Team einzeln als Antwortgeber identifizierbar. Ich würde es für das Community Management auch jedem empfehlen, zumindest mit einem Alias zu arbeiten. Dadurch bleibt immer eine gewisse Schutz-Distanz erhalten, falls ein Nutzer tatsächlich so einen Angriff versucht.

Sollte eine stark personifizierte Kommunikation mit Echtnamen und/oder Foto des Social Media-Teams zum eigenen Konzept gehören, ist es notwendig, dass der Arbeitgeber in einem Konfliktfall Unterstützung geben kann (psychologisch, juristisch), wenn ein Mitarbeiter einem solchen Angriff ausgesetzt ist.

 


Markus: Die wenigsten können mich persönlich angreifen, weil sie mich schlicht nicht persönlich kennen. Also halte ich mich an mein Motto:Ich suche mir die Person noch immer selbst aus, die mich beleidigen kann. Und mal ehrlich: Die allermeisten persönlichen Beleidigungen in den sozialen Netzwerken sagen weit mehr über den Absender aus als über den Empfänger.

 

 

 

 


Ulrike: Persönliche Angriffe treffen mich kaum noch. Sie kommen vor, auch gegen mich, aber viel häufiger gegen unser Moderationsteam oder unsere Autoren. Es vergeht keine Woche, in der mich keine E-Mails über „die unfähigen unterbezahlten Praktikanten (gemeint sind unsere Moderator*innen), die es im Leben nie zu etwas bringen werden“ oder „ahnungslosen, linientreuen Autoren oder Redakteure“ erhalte. Im Forum lassen wir dieses Bashing nicht zu. Aktiv werden wir bei rechtsstaatlich relevanten Drohungen, die wir unserem Anwalt übergeben.

 

 


Manuela: Glücklicherweise ist das bislang so gut wie gar nicht passiert. Natürlich gab es in fast zehn Jahren als Social Media Managerin Momente, in denen Nutzer meinen Beitrag oder Kommentar als Praktikantenarbeitabgetan haben. Das ist zwar nervig, aber relativ harmlos. Da habe ich in unserer CM-Selbsthilfegruppe schon weitaus heftigere Sachen gehört und gelesen.

 

 

 

 

Was sind eure Tipps, um als Social Media- und Community Manager Ruhe zu bewahren und angesichts nerviger Kommentare nicht durchzudrehen?

Ulrike: Deine Community ist toll, genieß sie! Scroll mal durch alle Kommentare und schau, wie viele davon positiv, konstruktiv und freundlich sind. Willst du wirklich den paar wirren Hanseln, die sonst nichts haben, woran sie sich hochziehen können, so viel Macht geben?

 

 

 

 

 


Markus: Lächle! Du kannst sie nicht alle verprügeln aber vielleicht so verwirren, dass sie vor einen Bus laufen!“ 😉 Aber mal ernsthaft: Dieser Hass nervt, keine Frage. Aber denkt immer daran: Meint euch diese Person wirklich persönlich? Oder ist es nur ein unzufriedener Mensch, der einfach unpassende Inhalte in die Welt bläst, weil er nicht von Angesicht zu Angesicht mit seinem Gegenüber spricht? Sucht euch die Personen selbst aus, die euch stressen und ärgern können, dann wird es deutlich einfacher. Ihr macht den Browser zu und habt eure Ruhe das pöbelnde Gegenüber muss mit seiner Einstellung den ganzen Tag herumlaufen.

 


Manuela: Mit Kollegen darüber reden, in unsere Selbsthilfegruppe bei Facebook posten und Flausch abholen, und im Zweifel den Rechner aus dem Fenster werfen (okay, das letzte ist nicht wirklich ernst gemeint
😉).

 

 

 

 

 


Dennis: Hässliche Wortmeldungen nicht persönlich nehmen, krasse Fälle im Team besprechen und immer wieder auch positive Erlebnisse an einer Candy-Wallsammeln, damit man dort seine emotionalen Akkus im Notfall wieder aufladen kann.

 

 

 

 



Danke an Manuela, Ulrike, Markus und Dennis, dass ihr eure Erfahrungen und Tipps mit uns teilt! 

Die Interviews führte Susanne Maier. 

Bildquellen: Manuela Braun/Fotostudio Klamm; EMS Dental/Marketing; Department Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration Schleswig-Holstein, Landespolizeiamt; Ulrike Rosina

Titelbild: Anna Maucher über J W auf Unsplash

Dieser Artikel erschien zuerst im SocialHub Mag – lade dir unser Social Media-Magazin hier kostenlos herunter!

TEILEN - Spread the Love!

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here