Bereit zum Entern – Wie die Urlaubspiraten die Social Media Meere unsicher machen

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Profilbild Merle Reiß Urlaubspiraten

Alles begann 2011, als der Student Igor auf seinem Blog urlaubspiraten.de sein Wissen 

teilte, wie er es schaffte, dank günstiger Reiseschnäppchen um den Globus zu jetten. Heute, nur fünf Jahre später, sind die Urlaubspiraten eines der größten deutschen Reiseportale, haben über sieben Millionen Facebook Fans und ein Team von der Größe einer ausgewachsenen Piratencrew. Wie sie damit die Social Media Meere unsicher machen, erzählte uns Social Managerin Merle Reiß, die uns im Berliner Headquarter der Urlaubspiraten hinter die Kulissen schauen ließ.

Sie hört zur Arbeit gerne „Die drei Fragezeichen“-Hörspiele auf Spotify, spielt in der Pause mit ihren Kollegen Pokémon Go und kommt ursprünglich vom Einzelhandel, wo sie bereits erste Erfahrungen mit Social Media und Kundenservice sammeln konnte. Seit Juni 2015 ist Merle Reiß bei den Urlaubspiraten als Social Media Managerin an Bord – in Piratenbegriffen noch ein „Powder Monkey“ (das sagt zumindest ihre Visitenkarte), in der Geschwindigkeit der Urlaubspiraten schon ein alter Captain. Denn das Team der Urlaubspiraten wächst seit einiger Zeit genauso schnell und exponentiell wie ihre Social Media Kanäle – in zehn Ländern und sieben Sprachen ist die HolidayPirates GmbH mit ihrem Reiseschnäppchen-Portal mittlerweile vertreten.

Dementsprechend international geht es im Berliner Headquarter zu, wo die Urlaubspiraten mit über 100 Mann direkt an der Spree ankern, mit schönstem Blick auf Fernsehturm und Museumsinsel. Zwischen Youtube-Studio, Rum-Fässern, gemütlichen Flugzeugsitzen und Tischtennisplatte sitzen daher nicht nur vier Social Media Manager und zwei Community Manager, die für den deutschen Markt zuständig sind, sondern unter anderem auch Community Manager für Frankreich, Großbritannien, Spanien oder Polen neben zahlreichen „Bloggern“, Reiseexperten, die jeden Tag die besten Schnäppchen recherchieren und veröffentlichen.

Screenshot Facebook Live UKDaher läuft die Kommunikation im Team auch meistens auf englisch ab, auch wenn einige Kollegen nach Feierabend im Meetingraum freiwillig deutsch pauken. „Uns war von Anfang an klar, dass wir regionale Unterschiede bei der Social Media Kommunikation berücksichtigen müssen und deshalb Community Manager aus den jeweiligen Ländern für unsere Crew anheuern wollen“, erklärt Merle. „Der Austausch im internationalen Team ist für uns sehr wichtig, auch wenn wir Themen und Inhalte später auf die einzelnen Märkte und auf das, was dort gut funktioniert, anpassen.“

Was das ist, finden die Urlaubspiraten durch den engen Austausch im internationalen Social Media Team heraus – auch durch regelmäßiges Ausprobieren und Auswerten der Resonanz. „Die Unterschiede betreffen zum einen die Tonalität, zum anderen die Art und Weise, wie Posts aufgebaut sein sollten,“ erklärt mir Merle bei einer kalten Schorle auf der Terrasse. „Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass unsere Facebook-Fans in Deutschland und den Niederlanden lieber kurze, präzise Headlines bevorzugen. In Spanien und Italien kommen dagegen längere Posts und stimmungsvolle Einleitungen wie ‚Stell dir vor, du könntest hier jetzt die Zehen im Sand vergraben’ gut an. Da können wir auch mal ein schönes „Guten Morgen“-Bild posten. In Deutschland sind die Fans von sowas irritiert – sie wollten lieber, dass wir ihnen die besten Reisedeals präsentieren und schnell zur Sache kommen. Fragen und Unterhaltungs-Posts funktionieren aber in allen Ländern gut – bis auf in Großbritannien.“

Screesnshot ElfmeterschiessenGemeinsam managt das internationale Social Media Team der Urlaubspiraten, das aus vier Social Media Managern und mehreren Community Managern für die einzelnen Länder besteht, mittlerweile 10 Märkte, sieben Millionen Facebook Fans, unglaubliche 150.000 Kommentare im Monat sowie 15-17 Posts täglich (nur auf der deutschen Page) – und neben Facebook noch eine Vielzahl anderer Social Media Auftritte von Youtube und Instagram, über Pinterest und Twitter bis Snapchat und Whatsapp.  „Angefangen haben wir mit einem Senior und zwei Junior Social Media Managern für den deutschen Markt, dann kam ein Community Manager für UK dazu und im nächsten Schritt weitere Community Manager für Deutschland und UK, bevor wir in weitere Märkte expandiert sind.“

Mittlerweile hat sich das Team von den Rollen her aufgesplittet in vier übergeordnete Social Media Manager und die Community Manager für die einzelnen Länder. Insgesamt ist die Crew auf 16 Social Media und Community Manager angewachsen, die zum Großteil in Berlin sitzen. Die Abstimmung untereinander kann daher auf kurzem Wege erfolgen, was Merle klar als Vorteil sieht. „Wir haben aber auch die Möglichkeit, mal von zuhause oder von woanders zu arbeiten und diejenigen, die nicht in Berlin sitzen, wie der Kollege im US-Büro in Boston, schalten sich per Skype zu Meetings dazu.“

So gibt es jeden Morgen ein kurzes „Daily Standup Meeting“ (das sich die Urlaubspiraten von Sixt abgeschaut haben), in dem die Themen des Tages besprochen werden, spontane Content-Ideen und „Trending Topics“ geteilt, auf die man aufspringen kann. Einmal wöchentlich setzt sich das Team für ein längeres Meeting zusammen, in dem es auch um Kampagnen und längerfristige strategische Fragen geht.

Dass das Social Media Team so aufgestellt ist, liegt auch daran, dass urlaubspiraten.de von Anfang an ein Blog mit dazugehörigen Social Media Kanälen war – alles basierte sozusagen auf Social Media, die Ursprung und integraler Bestandteil des Business sind.

Screen Shot 2016-04-15 at 12.16.30Dabei kristallisierte sich Facebook schnell als wichtigstes soziales Netzwerk heraus. Das sieht man auch sofort, wenn man das Büro der Urlaubspiraten entert und der Blick auf den großen Screen mit dem Facebook Like-Zähler fällt: „Die Fan-Zahlen steigen seit etwas mehr als einem Jahr exponentiell an,“ berichtet Merle. War im Sommer 2015 mit vier Millionen Fans ein großer Meilenstein erreicht, knackten die Urlaubspiraten nur wenige Tage nach unserem Interview Ende Juli bereits die sieben Millionen. Tendenz: steigend. Wer vor dem Live Facebook Like-Zähler steht, stellt fest, dass tatsächlich keine Minute vergeht, ohne dass ein neuer Like-Daumen auf den Bildschirm gesegelt kommt. „Wir gehören zumindest auf dem deutschen Markt zu den Early Adoptern beim Thema Reiseschnäppchen in Social Media und konnten daher sehr gut und schnell an Fahrt gewinnen.“

Dabei nutzen die Urlaubspiraten bei Facebook eine Global Page mit Unterseiten für die jeweiligen Länder. „Der Vorteil dabei ist, dass wir besser den Überblick über die länderspezifischen Aktivitäten behalten, im Community Management besser differenzieren können und für einzelne Märkte unterschiedliche Tools nutzen.“

Über mangelndes Engagement können sich die Urlaubspiraten nicht beklagen: Allein in Deutschland werden pro Monat 150.000 Facebook-Kommentare und Seitenbeiträge gesichtet und beantwortet. „Oft taggen die Fans in den Kommentaren nur ihre Freunde, das heißt nur ca. jeder 25. Kommentar ist eine Anfrage, auf die wir antworten müssen. Doch wir müssen trotzdem überall mal drüberschauen. Außerdem steigt die Zahl der Kommentare zur Urlaubssaison hin stark an, uns erreichen dann besonders viele Urlaubsfragen.“ Twitter spielt bei im deutschen Markt was Serviceanfragen betrifft übrigens kaum eine Rolle, wie mir Merle verrät, es spielt sich alles vorrangig über Facebook ab.

Urlaubspiraten CM 1Um die Menge an Kommentaren überhaupt noch managen zu können, nutzen die Urlaubspiraten daher in Deutschland den SocialHub, in den anderen Ländern Agorapulse. Als Hilfe zur Analyse wird Fanpage Karma eingesetzt. „Mit dem SocialHub können wir die Kommentare alle sichten und wie Tickets hintereinander abarbeiten. Über Facebook selbst war das nicht mehr möglich und andere Tools brachen unter der Menge zusammen.“

Für den deutschen Markt arbeiten die Social Media-Piraten mittlerweile sogar im Zwei-Schichtbetrieb, um so den Zeitraum von 8 bis 21 Uhr inklusive Samstag und Sonntag abdecken zu können. „Wir haben einfach irgendwann gemerkt, dass es nötig ist, da wir sonst nach einigen Stunden schon nicht mehr hinterherkommen und keine Luft mehr für Kreatives haben. Wir mussten uns da einfach breiter aufstellen und an das Verhalten und die Erwartungen der Kunden anpassen.“

Dazu gehört zum auch Monitoring, um zum Beispiel immer die politische Lage und die Reisewarnungen im Blick zu behalten. „Am Tag der Anschläge von Paris waren wir zum Glück noch wach, konnten alles scannen und Posts und Promos zu Frankreich-Angeboten stoppen. Auch darüber hinaus bekommen wir häufiger Kundenanfragen zur Sicherheitslage in bestimmten Ländern, die wir dann beantworten, zum Beispiel, indem wir einen Artikel dazu in unserem Reisejournal veröffentlichen und darauf verweisen.“

Die Daten zur Performance der einzelnen Social Media Kanäle und der Website werden in regelmäßigen Abständen exportiert, in einem Google-Dokument zusammengetragen und ausgewertet – vom täglichen Overview bis zum Monatsreport für die einzelnen Länder. Dazu zählen auch die Auswertungen zum Servicelevel wie etwa zu den Antwortzeiten.

Wie sie es schaffen, bei all dem nicht im tagtäglichen Social Media Wahnsinn zu versinken? „Das ist schwer!“, lacht Merle. Neben Ressourcen und der Nutzung von Tools geht das nur durch Teamwork und eine gewisse Strukturierung der Arbeitsabläufe – trotz der Unvorhersehbarkeit, die im Social Media-Umfeld immer mitschwingt.

„Morgens, wenn es noch etwas ruhiger ist, beantworte ich gleich meine E-Mails und schaue nach spannenden Themen, bevor es schon ins Daily Meeting geht. Nach der Mittagspause schaufle ich mir meist ein Zeitfenster frei für Strategisches und Konzeptionelles – was da ganz gut geht, da sich die beiden Community Management-Schichten am frühen Nachmittag überschneiden und es dadurch etwas Luft gibt. Wichtig ist aber auch die gegenseitige Entlastung im Team, dass wir uns zum Beispiel Anfragen zuweisen können.“ Für Abwechslung und gute Stimmung im Office sorgen zudem Tischtennis-Platte, Xbox und Kühlschrank mit Feierabendbierchen und jeden Donnerstag Abend wird gemeinsam gekocht.

Auch beim Thema Content-Erstellung haben sich die Urlaubspiraten kürzlich breiter aufgestellt.  

urlaubspiraten youtubeNormalerweise arbeitet das Social Media Team eng mit den Inhouse-Bloggern zusammen, die die Reisedeals recherchieren und für die Website aufbereiten. Eine Auswahl der Besten wird dann über Social Media Kanäle geteilt – bei Facebook allein immerhin 15-17 Posts täglich. „Neben den Foto-Posts mit den Reiseschnäppchen ist aber auch das Thema Bewegtbild immer wichtiger für uns geworden“, verrät uns Merle. Daher produzieren die Urlaubspiraten mittlerweile eine eigene Youtube-Serie und haben sich dafür kurzerhand im Berliner Headquarter ein eigenes Youtube-Studio eingerichtet – komplett mit Piratendeko vom Rumfass bis zum Steuerrad. „Die Resonanz ist bisher sehr gut und wir können damit neue Zielgruppen erreichen. Die Videos können wir auch sehr gut zweitverwerten und bei Facebook hochladen.“

Teil des wöchentlichen Sendeplans bei Youtube ist der „Deal-Check“. „Einer unserer häufigsten Fragen, wenn Nutzer unsere Deals sehen, ist ‚Und wo ist der Haken?‘. Mit dem Format wollen wir zeigen, dass unsere Deals auch wirklich existieren und wirklich buchbar sind.“ Dafür reisen die beiden Moderatoren mit einem Kameramann an verschiedene Orte wie Mallorca, die Malediven oder zum Roskilde-Festival, testen das jeweilige Schnäppchen-Angebot und spüren vor Ort gute Reisetipps auf.

Wie gut bewegte Bilder bei den Fans und Followern ankommen, haben die Urlaubspiraten auch anhand ihrer Snapchat- und Facebook Live-Aktivitäten festgestellt. So nahmen Mitarbeiter und Reiseblogger bei Snapchat die Zuschauer mit auf ihre Reisen und gaben live Einblicke hinter die Kulissen. „Wir wollen zeigen, dass wir echte Menschen sind, die sich genauso fürs Reisen begeistern und auch mal das eine oder andere Reiseschnäppchen selber buchen. Deshalb wird unser Instagram-Account zum Beispiel auch nur von uns Mitarbeitern und unseren eigenen Reisefotos bespielt.“ Ihre Snapchat-Aktivitäten wollen die Urlaubspiraten in den kommenden Monaten jedenfalls weiter ausbauen. „Denkbar wäre sogar, dass wir künftig über Snapchat auch Reisedeals posten“, verrät uns Merle.

Ebenfalls im Bewegtbild-Trend liegt Facebook Live, das auch schon erfolgreich geentert wurde. „Einer unserer erfolgreichsten Posts war ein Live-Video für Großbritannien mit einer Schatzsuche, für die die User eine Zahlenkombination erraten mussten. Das lief extrem gut!“ Zum Sendeschluss waren bereits 20.000 Kommentare eingetrudelt, weitere folgten. „Total überraschend war auch die Reaktion der Kollegen: Während der Live-Übertragung kam unser CEO mit seiner besten Flasche Rum auf die Bühne und machte mit und einer unserer Entwickler sang spontan ein paar Zahlenkombinationen vor. Das hat sich einfach so entwickelt, war aber sehr witzig!“

urlaubspiraten whatsappEin weiterer Trend in der Kundenkommunikation, mit dem die Urlaubspiraten kürzlich in zuvor unbekannte Gewässer segelten, ist Whatsapp. Dank des neuen Services kann man sich nun die besten Deals und Error Fares als Alarm auch via WhatsApp aufs Handy schicken lassen. In den USA ist auch die Kundenkommunikation via Facebook Messenger schon als Pilotprojekt gestartet. So können die Nutzer etwa ein Reiseziel wie #Mallorca eingeben und bekommen dann immer die neuen Mallorca-Deals zugeschickt. „Noch besser wäre ein Bot, über den man das Angebot auch schon direkt buchen kann“, findet Merle, „das ist momentan zwar noch in der Zukunft, aber ich bin sicher, dass das kommen wird.“

Somit setzt das Social Media Team der Urlaubspiraten alles daran, gleich mehrere Plattformen gleichzeitig zu entern, um die Kunden dort abzuholen, wo sie aktiv sind und kommunizieren wollenDas führt immer wieder zu schönen Situationen: „Ein Kunde schrieb uns, dass er über uns einen Error Fare gebucht hat, den er auf Facebook gesehen hatte, und für 180 Euro spontan nach Tokio flog – sonst wäre er dort vermutlich nie hingekommen. Am letzten Abend lernte er dort in einer Bar seine große Liebe kennen.“ Ob er zurückgeflogen sei? „Ja“, antwortet Merle, „er ist Künstler und brachte uns zum Dank sogar ein riesiges Bild in unserem Büro vorbei. Als es kurze Zeit später wieder Schnäppchenflüge nach Tokio gab, haben wir ihn gleich kontaktiert und Bescheid gesagt. Er hat sofort gebucht.“

Für angehende Social Media und Community Manager, die wie viele der Urlaubspiraten ihr Hobby zum Beruf machen wollen, hat sie zum Schluss noch ein paar Ratschläge parat. „Haltet immer die Augen und Ohren offen, bildet euch weiter, geht zu Barcamps, saugt alles in euch auf und nutzt die Social Media Plattformen auch privat! Beschäftigt euch mit neuen Trends, versucht, die Plattformen wirklich zu verstehen, indem ihr alles selber ausprobiert!“

Auch, wenn es Pokémon Go ist.

Titelbild: Sean O. auf Unsplash

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