Ein Gastbeitrag von Sebastian Jabbusch, livestreamberlin.de
Seid ihr schon bereit für Livestreaming? Lest hier, wie Ihr mit wenig Geld den Einstieg oder sogar Multi-Kamera Livestreams und Liveschnitt mit Euren iPhones und iPads bauen könnt.
Nach Text, Fotos, Grafiken und Videos soll in Social Media nun auch noch alles “live” sein. Doch selbst wenn euch Videos schon überfordern, ist dies kein Grund, gleich frustriert aufzugeben.
Denn die Live-Technik hat sich in den letzten Jahr stark vereinfacht. Zwar gehört immer noch etwas Einarbeitung und viel Testen dazu. Doch es lohnt sich zu überlegen, welche Rolle Livestreaming in eurem Content-Mix spielen kann.
Im Kern gibt es heute drei Stufen des Livestreamings:
- Livestream mit eurem eigenen Smartphone
- Mehrere Smartphones und Kameras vernetzen, Liveschnitt via iPad
- Die Profi-Lösung mit TV-Kameras, Kabeln und Videomischpult
Die zweite Lösung ist erst wenige Jahre jung und krempelt gerade den Livestreaming-Markt um. Entsprechend habe ich mit diesem Ansatz unter livestreamberlin.de ein StartUp gestartet.
Dank der neuen Technik kann ich Livestreams bereits ab 500 statt den üblichen 5.000 Euro anbieten. Der Grund ist einfach: Mein komplettes Setup passt in einen Rollkoffer. Die üblichen drei Kameraleute, die 500 Meter Kabel und den Mercedes-Transporter voll mit Technik-Kisten benötige ich nicht mehr. Wie ihr die neue Technik ebenfalls nutzen könnt, verrate ich in diesem Artikel.

Wann lohnt sich “live”?
Live-Formate erreichen nur in zwei Kontexten große Reichweiten:
A) Schafft die Exklusivität des Moments, indem Eure Community etwas kollektiv erleben und sich dabei austauschen kann. Der Inhalt sollte thematisch zur Community passen – vom Ratespiel über Experiment bis zur Karaoke. Ein klassisches Beispiel ist der allwöchentliche Tatort, dessen Community sich wöchentlich auf dem gleichnamigen Hashtag auf Twitter versammelt.
B) Setzt die Zuschauer in den Fokus und erschafft Events, bei denen sie das Geschehen beeinflussen können. Facebook bietet dazu Live-Umfragen, Emoticons und natürlich den Chat. Je stärker das Geschehen und je mehr die Moderatoren auf den Chat eingehen, umso besser funktioniert das Modell. Im Extremfall kann es sogar ein reiner Dialog zwischen Moderator und Chat sein, wie es Christian Lindner (FDP) mehrfach im Bundestagswahlkampf zeigte. Auch ein Blick in die Let’s Player-Szene auf YouTube lohnt sich. Hier können einige Zuschauer sogar mit ihren Idolen zocken.
Passive Livestreams, bei dem die Fans “nur” Zuschauer sind, sind hingegen kein Massenerfolg, denn diese sind Video-on-Demand Angeboten à la Facebook Watch zu ähnlich.
Langweiliger Content wird durch einen Livestream nicht spannender.
Ein Livestream kann übrigens auch mit wenigen Zuschauern sinnvoll sein. Nämlich dann, wenn die breite Masse gar nicht das Ziel ist, sondern ein Stream spezielle wichtige Akteure (Journalisten, Politiker, Arbeitskollegen in anderen Ländern) erreichen soll, die andernfalls auf Grund von Reisekosten oder Terminen verhindert wären und vorher gezielt eingeladen wurden. Für diese Nischenthemen sind jedoch niedrige Fixkosten beim Livestream entscheidend.
Livestreaming – so geht’s
Livestream mit dem Smartphone
Die billigste Variante ist ein einzelnes Smartphone. Egal ob Twitter, Facebook, YouTube oder Instagram, alle populären Plattformen bieten inzwischen in ihren Apps den unkomplizierten “Ein-Klick-Livestream” an. Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die einzelnen Plattformen findet ihr im Netz.
Für die günstigste Variante genügt ein Smartphone.
Folgendes Equipment solltet ihr nutzen:
- iPhone mit Klinkeneingang oder entsprechenden Adapter sowie Akku-Pack
- Fotostativ mit Handy-Adapter
- Audioverstärker und Mikrofon-Adapter für das iPhone (ich empfehle “iRig“) sowie ein XLR-Kabel, 15 Meter
- Alternativ: Rode Richtmikrofon für iPhones
- Stabiles WLAN mit mindestens 1mbit Upstream oder LTE
Das Stativ mit dem iPhone stellt ihr möglichst nah an das Objekt des Livestreams (Tisch/Bühne) heran, um den Bildausschnitt zu vergrößern. Die Höhe sollte auf den/die SprecherInnen ausgerichtet sein. Um einen schönen klaren Ton zu bekommen, nehmt den Ton idealerweise über ein so genanntes XLR-Kabel direkt vom Mikro (oder der Raumtechnik) ab. Bei kleinen Setups kann auch ein Richtmikrofon direkt im Smartphone ausreichen.
Ja, es gibt auch Lösungen für Android-Geräte. Das meiste Equipment auf dem Markt ist jedoch für Apple-Smartphones, da sich der Android-Markt auf inzwischen 20.000 verschiedene Handy-Modelle verteilt und die Hersteller Schwierigkeiten haben, Software und Hardware für diese Vielfalt stets anzupassen. Solltet ihr dennoch Android-Smartphones nutzen, beachtet, dass diese einen anderen Audioausgang haben als iPhones.
Ob Eure Verbindung für den Stream schnell genug ist, könnt ihr direkt bei Google testen, indem ihr “Internet Speed” eingebt. Achtet darauf, dass nicht zu viele andere Leute im gleichen WLAN aktiv sind, sonst reißt euer Livestream ab.
Multi-Kamera Livestream
Ein und dieselbe Kamera-Einstellung ist nach spätestens einer Minute ziemlich dröge. Deutlich länger mag man eurem Livestream zuschauen, wenn ihr mehrere Kameras zum Einsatz bringt, diese vernetzt und den Zuschauern über einen Liveschnitt die jeweils spannendsten Ausschnitte in diesem Moment zeigt.
Bisher war dieser Bereich den absoluten Profis vorbehalten. Viele Kabel, teure Kameras, komplizierte Videomischer und teure Software gehörten hier zu den Einstiegshürden. Doch Lösungen wie “Slingstudio” oder “Live:Air” von Teradek setzen beide auf eine Vernetzung von iPhones und machen euer iPad zum Schnittstudio. So wird Multi-Kamera-Livestreaming auch ambitionierten Amateuren zugänglich.

Das braucht ihr dafür:
- 3-6 iPhones, Stative und Akku Packs
- iPad Pro (Prozessorlast)
- WLAN Router mit Sim-Karte, ca. 300 Euro
- Bei Slingstudio kann nur proprietäre Hardware eingesetzt werden. Ein Minimalset beginnt hier bei ca. 1.000 Euro (s. Website von Slingstudio)
- Live:Air von Teradek lässt sich mit jeder Hardware nutzen und verdient eher mit dem Verkauf der Software. Der iPad-App beginnt hier bei 170 Euro. Auf den iPhone-Kameras installiert ihr die kostenlose Client-App („Live:Air Remote“, erhältlich im App Store).
Das Prinzip ist dann ziemlich einfach: Ihr baut euren WLAN-Router auf, steckt eine LTE-SIM-Karte mit großem Datenvolumen ein und verbindet alle iPhones und iPads mit selbigem. Auf dem iPad installiert ihr die Hosting-App (zum Beispiel Live:Air). Dort tauchen nach dem Start alle Client-Kameras im selben WLAN automatisch auf. Ihr müsst eure iPhones nun nur noch auf Stative klemmen und im Raum verteilen.
Wer etwas sparen will, kann auch ältere iPhones oder günstige iPads nehmen. Auch einige Android-Handys können die Client App von Live:Air laufen lassen, sind aber nicht stabil genug. Wenn ihr Smartphones eurer Kollegen nutzt, denkt daran, idealerweise alle anderen Apps zu deinstallieren und alles bis auf das WLAN vor dem Livestream auszuschalten, damit euch Anrufe oder WhatsApp-Nachrichten nicht mitten im Livestream eine Kamera killen.
Multi-Kamera Livestream mit Nahaufnahmen
Euer Setup sieht jetzt schon ganz schick aus. Aber um mit den Profis gleichzuziehen braucht ihr noch Nahaufnahmen. Diese können Smartphones aufgrund fehlender Zoom-Objektive nicht liefern. Auch die billigen Aufsteck-Objektive lösen dies leider nicht. Dennoch müsst ihr keine großen TV-Kameras kaufen, sondern könnt auf günstige Digitale Spiegelreflex-Kameras (DSLR) setzen, die im Hobby-Fotografen-Bereich schon für unter 1.000 Euro verfügbar sind.
Sowohl Slingstudio als auch Liv:Air bieten für solch alte “Offline”-Kameras entsprechende Hardware-Adapter, um sie ins WLAN zu bringen und mit der App kompatibel zu machen. (Integrierte WLAN-Module der Kameras reichen hier nicht aus.) Ihr benötigt also noch folgendes Equipment:
- SlingStudio Cameralink, je 350 Euro
- Oder: Live:Air VidiU-Pro, je 900 Euro
- Externe Akkus und Kabel für die Box, je 200 Euro
Sind die Kameras mit den Hardwareboxen verbunden und ins WLAN eingebunden, tauchen sie anschließend wie die iPhones in eurem iPad-Schnittprogramm auf und ihr könnt nun auch Nahaufnahmen in den Stream einfügen.

Wann lohnt es sich zu investieren?
Selbst die simplen Setups brauchen je nach Vorwissen und Bestelldauer einige Stunden oder Tage Vorbereitung. Überfordert Euch nicht gleich, sondern testet alles ausführlich.
Fangt klein an und steigert wissen und praxis langsam.
Wenn ihr mit mehreren Kameras arbeiten wollt, rechnet mit ca. zwei bis vier Wochen Einarbeitung und Vorbereitung. Das klingt viel, ist aber wenig, wenn man es mit den drei Jahren Ausbildung vergleicht, die solche technischen Berufe früher voraussetzten.
Einarbeitung und Investitionen in die Multi-Kamera-Technik lohnen ab ca. einem Livestream pro Monat. Wenn Ihr nur wenige Events pro Jahr plant, bietet es sich möglicherweise an, auf günstige externe Dienstleister zurück zu greifen. Wenn ihr regelmäßig Events veranstaltet, lohnt es sich, das Equipment selbst anzuschaffen.
Vor lauter Technik-Begeisterung solltet ihr aber nicht das Wichtigste vernachlässigen:
die Arbeit am Inhalt des Livestreams!
Vernachlässigt vor lauter Technikbegeisterung nicht das Inhaltliche.
Sebastian Jabbusch ist ein strategischer Kommunikations- und Social Media-Experte mit dem Schwerpunkt Politik und Geschäftsführer der Public Impact UG. Gemeinsam mit seinem Team berät er vor allem NGOs, Behörden und Parteien. Unter LivestreamBerlin.de bietet sein Team seit September 2018 Livestreams und Workshops zum Thema Livestreaming an.
Bildquellen: Sebastian Jabbusch, Public Impact UG, LivestreamBerlin.de
Titelbild: Anna Maucher über Kees Steefkerk auf Unsplash
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