Ein Interview mit Dagmar Deutsch, Hofheld
Was verbirgt sich hinter dem Projekt „Hofheld“?

Dagmar: Hofheld ist ein Onlineportal für Junglandwirte, das wir am 8. August 2016 gestartet haben. Ursprünglich ist das Projekt entstanden aus einem Printprodukt, der „dlz next„, das wir aber für die junge Zielgruppe nicht so passend fanden. Der Verlag gab uns gleichzeitig Raum, uns mit dem Projekt auf die grüne Wiese zu begeben, und das haben wir getan!
Unser Ansatz ist es, kein Produkt „für“ die Zielgruppe zu machen, sondern „mit“ der Zielgruppe. Das betrifft zum einen User-Generated Content, der bei uns ganz vorne steht, aber auch die Konzeptionierung der Seite.
So haben wir zwei unterschiedliche Seiten mit unterschiedlichem Namen und WordPress Themes kreiert und die Zielgruppe nach ihrer Meinung gefragt. Das möchten wir weiterhin beibehalten und unsere Zielgruppe bei allem, was wir planen, schon früh mit ins Boot holen und fragen, was sie sich wünschen und welche Inhalte sie interessieren.

Wen möchtet ihr mit dem Projekt ansprechen und welche Ziele verfolgt ihr damit?
Dagmar: Unsere Zielgruppe sind Junglandwirte zwischen 18 und 35 Jahren, wobei wir verstärkt versuchen, die 18- bis 24-Jährigen anzusprechen und möglichst früh an die Marke zu binden. Teilweise sind es Junglandwirte in Ausbildung, teilweise sind sie bereits angestellt oder in den Betrieb mit eingestiegen. Sie arbeiten praktisch in der Landwirtschaft, also nicht in einem vor- oder nachgelagerten Bereich, sind auf einem Hof tätig und möchten da auch bleiben.
Unser Ziel ist es, die beiderseitigen Kompetenzen optimal auszunutzen und natürlich auch, die Leser an uns zu binden. Hierfür möchten wir mit der Zielgruppe zusammenarbeiten, ebenso mit Bloggern im Agrarbereich. Angesichts all dessen wollen wir neue Wege gehen und der Zielgruppe ein Partner zu sein.
Was ist das inhaltliche Konzept des Portals Hofheld?
Dagmar: Hofheld ist kein Onlinemagazin, sondern ein Blog, auf dem Junglandwirte für uns bloggen. Wir arbeiten dafür mit mehreren Bloggern fest zusammen, die jede/r zwei bis vier Beiträge pro Monat liefern. Dabei hat jede/r seinen/ihren eigenen Themenschwerpunkt. Hier haben wir anfangs ganz gezielt bereits aktive, vernetzte Blogger angesprochen.
Mittlerweile möchten wir aber auch Blogger-Neulingen die Möglichkeit bieten, sich in der Agrarszene zu etablieren. Teilweise fokussieren unsere Blogger auch auf andere Plattformen, treten zum Beispiel bei Facebook mit ihrem Hof auf. Bei Hofheld steht dann allerdings immer die Person im Fokus, anstatt ein Betrieb, ein Hof oder eine Familie.
Neben den Beiträgen der Blogger greifen wir im Blog regelmäßig aktuelle Geschehnisse aus den sozialen Medien auf, die die Zielgruppe betreffen, zum Beispiel neue Agrar-Fotochallenges oder Posts zur Landwirtschaft, die aus verschiedenen Gründen viral gegangen sind. Dazu beleuchten wir die Hintergründe und bereiten die besten Reaktionen aus dem Netz auf.
Der dritte inhaltliche Fokus sind Fachbeiträge. Wir suchen uns aus jeder Printausgabe von agrarheute Themen aus, die für die Zielgruppe relevant sind und bereiten diese zielgruppengerecht auf. So wird zum Beispiel aus einem Fachbeitrag über Getreidekrankheiten ein Quiz („Erkennst du die Getreidekrankheit?“), am Ende verweisen für weitere Infos auf die Zeitschrift agrarheute.
Welche weiteren Social Media-Aktivitäten und -Plattformen betreibt ihr für Hofheld?
Dagmar: Zu Hofheld gehören neben dem Blog eine Facebook-Seite, eine Facebook-Gruppe, ein Instagram-Kanal und Pinterest. Außerdem betreiben wir einen Shop mit T-Shirts, Arbeitskleidung und Accessoires mit witzigen Sprüchen.

Was postet ihr in euren Social Media-Kanälen und woher bekommt ihr den Content?
Dagmar: Den Content für unsere Social Media Kanäle bekommen wir von unserer Website Hofheld.de, indem wir in Social Media auf neue Beiträge verweisen. Wenn es in dem Beitrag zum Beispiel ein Video gibt, dann posten wir das.
Auf Facebook teilen wir zudem zielgruppenrelevanten Fremdcontent. Der ist meist unterhaltend, denn im Rahmen einer Umfrage haben wir im Vorfeld des Projekts festgestellt, dass unsere Zielgruppe gerne Fachliches und Unterhaltendes verbinden möchte. Unsere Zielgruppe möchte durchaus Informationen, das Konsumieren dieser Informationen soll aber auch Spaß machen. Da gehört es auch dazu, sich zum Beispiel mal ein Video von einem 24-Stunden-Traktor-Rennen anzuschauen.
Bei Instagram posten wir Content aus eigenen Aktionen und nutzen auch Stories, wenn wir selbst unterwegs sind und es etwas für die Zielgruppe Relevantes zu berichten gibt. Reposts sind kein fester Bestandteil unseres Instagram-Kanals, wir nutzen sie zwar, aber nur bei eigenen Aktionen wie Fotochallenges oder Events.
Im vergangenen Jahr habt ihr darüber hinaus eine Hofhelden-Snapchat-Kampagne gestartet. Warum Snapchat? Ist Snapchat nicht schon längst wieder passé?
Dagmar: Die Idee zu der Aktion kam von unserem Social Media Manager im Verlag Lutz Staacke. Auf sein Anraten hin haben wir uns mit Snapchat näher beschäftigt und festgestellt, dass durchaus einige Junglandwirte die Plattform nutzen. Wir haben daher beschlossen, einfach mal etwas Neues auszuprobieren und sind zu unserem ersten „Geburtstag“ von Hofheld am 8. August 2017 mit einem einjährigen Projekt an den Start gegangen.
Unseres Wissens nach gibt es kein anderes Medium, das Snapchat so genutzt hat wie wir. Wir wollten einfach mal etwas Neues, Überraschendes ausprobieren und haben uns bei der Aktion bewusst für Snapchat und nicht für Instagram entschieden.
Was passierte beim Hofhelden-Snapchat-Takeover?
Dagmar: Unser Ziel war es, im Rahmen dieser völlig neuen Aktion Aufmerksamkeit zu erregen, Hofheld als Marke bekannter zu machen und zu stärken. Wichtig war uns, die Zielgruppe noch mehr einzubinden als bisher, auch über die Blogger hinaus.
Das Konzept sah daher vor, dass 52 Junglandwirte ein Jahr lang unseren Hofhelden-Snapchat-Kanal für jeweils eine Woche übernehmen und aus ihrem Alltag berichten. So konnten wir eine schöne Bandbreite darstellen und es war superspannend zu sehen, was Junglandwirte über den Zeitraum eines Jahres in Deutschland und sogar weltweit so machen.
Junglandwirte berichten via Social Media aus ihrem Alltag.
Die Aktion blieb nämlich nicht wie ursprünglich geplant auf Deutschland begrenzt, sondern wir sind im Laufe eines Jahres mit den Junglandwirten um die halbe Welt gereist: Wir waren in Australien, Spitzbergen, Afrika und den USA, wo unsere Junglandwirte zum Beispiel ein Praktikum auf einem Hof gemacht und auf unserem Snapchat-Kanal darüber berichtet haben.
Das hat sich meist spontan und über Mundpropaganda ergeben bzw. auch dadurch, dass Kandidaten von sich aus auf uns zugekommen sind und sich für den Takeover beworben haben.

Was war die größte Herausforderung bei dem Projekt?
Dagmar: Bei Snapchat ist die Besonderheit, dass immer nur eine Person in einem Kanal eingeloggt sein kann, nicht mehrere gleichzeitig wie zum Beispiel bei Instagram. Das bedeutete für uns, dass wir bei einem solchen Projekt während des Takeovers die Kontrolle komplett aus der Hand geben mussten.
Denn wenn wir uns währenddessen eingeloggt hätten, hätten wir eventuell unsere Hofhelden aus dem Account geworfen, denn bei einem Echtzeitmedium wie Snapchat sind die Posting-Zeiten ja situationsbezogen und nicht festgelegt. Wir haben stattdessen versucht, unsere Snapchatter, die sich bei uns über ein Formular bewerben mussten, im Vorfeld genau auszuwählen und uns ihre Social Media-Posts und Snaps anzuschauen.
Wie seid ihr das Projekt angegangen? Wie habt ihr die Kandidaten für den Takeover gefunden?
Dagmar: Als wir mit dem Projekt gestartet sind, hatten wir die Kandidaten für die ersten Wochen des Takeovers zusammen, aber noch nicht alle 52 für das ganze Jahr. Um die ersten Kandidaten zu bekommen, haben wir auch gezielt Leute angesprochen, die wir bereits kannten und von denen wir wussten, dass sie bei Snapchat aktiv sind.
Wir haben auch kräftig Werbung für das Projekt gemacht, aber nur über unsere Kanäle und ohne Anzeigen. Zudem haben wir eine Pressemitteilung herausgegeben und die Verlagspublikationen mit eingebunden sowie das Nachrichtenportal agrarheute.de.
Ab einem gewissen Punkt verselbstständigte sich das Ganze, indem wir zum Beispiel jede Woche unseren Snapchatter der Woche vorgestellt haben. Hinzu kam, dass unsere Posts von unseren Snapchattern, deren Freunden und den Followern geliked geteilt wurden, d.h. es gab einen Schneeballeffekt.


Was haben die Hofhelden gepostet? Gab es inhaltliche Vorgaben von eurer Seite?
Dagmar: Unsere Hofhelden-Snapchatter haben Ausschnitte aus ihrem persönlichen Alltag als Junglandwirte gezeigt. Die Posts stammten aus dem Arbeitsalltag, aber auch aus der Freizeit, indem wir zum Beispiel abends auf eine Party der Landjugend mitgenommen wurden.
Dabei gab es keine inhaltlichen Vorgaben unsererseits, was gepostet werden soll oder darf. Die einzige Vorgabe war, über den Tag verteilt mindestens fünf Snaps pro Tag zu posten. Im Nachhinein würde ich die Anzahl etwas hochsetzen, viele posteten aber auch von sich aus mehr.

Wie habt ihr die Reaktionen moderiert und ausgewertet?
Dagmar: Die Snapchatter haben die Fragen und Kommentare zu ihren Posts selbst beantwortet. Meist waren es sowieso Fragen zu ihren persönlichen Posts, die wir gar nicht beantworten hätten können. Wichtig war, dass wir uns regelmäßig mit den Kandidaten über die Reaktionen ausgetauscht haben, um zu erfahren, wie es lief und was an Feedback und Fragen kam. Unsere Snapchatter haben uns auch regelmäßig Screenshots von ihren Highlights geschickt.
Allerdings konnten wir nicht erwarten, dass sie uns alles screenshotten und schicken, und Snapchat macht es einem mit der Auswertung ja auch nicht gerade leicht. Hinzu kommt, dass wir wie gesagt die Kontrolle größtenteils abgeben mussten, da sich ja immer nur eine Person in den Kanal einloggen kann. Allerdings haben wir den Kanal zwischendurch auch selbst übernommen und von unserer Seite Blicke hinter die Kulissen gezeigt, zum Beispiel wie in der Redaktion ein agrarheute Magazin entsteht, und konnten so eins zu eins miterleben, wie die Community interagiert.
Wie habt ihr das Projekt von eurer Seite betreut?
Dagmar: Wir haben das Projekt intern im Team aufgeteilt, so dass immer einer eine Woche lang „Snapchat-Dienst“ hatte und unseren Snapchattern als Ansprechpartner in der Zeit zur Verfügung stand.
Das beinhaltete auch, sich die Snaps regelmäßig anzuschauen, sich über Reaktionen auszutauschen, den Snapchatter zu betreuen und Fragen zu beantworten – und das konnte auch mal spätabends oder am Wochenende sein. Es war also durchaus Arbeit. 😉
War das Projekt erfolgreich? Seid ihr mit den Ergebnissen zufrieden?
Dagmar: Ja, denn wir haben unsere Ziele alle erreicht. Es ist uns gelungen, die Zielgruppe einzubinden und unsere Marke bzw. das Projekt Hofheld bekannter machen. Der Digital Publishing Report berichtete auf einer ganzen Seite über das Snapchat-Projekt und wir haben es auf die Top-3-Shortlist des Fachpresse-Awards in der Kategorie „Bester Social Media-Einsatz“ geschafft.
Bezogen auf die Reichweite hatten wir pro Snap bis zu 1.500 Views – was sich vielleicht erst mal nach nicht viel anhört, aber für unsere sehr zugespitzte Zielgruppe schon viel ist. Wir sind damit also sehr zufrieden.

Nach der ersten Hälfte der Projektlaufzeit hatten wir unser Ziel von durchschnittlich mindestens 1.000 Views pro Snap erreicht und sogar überschritten. Wir hätten auch noch mehr erreicht, doch dann kam uns Snapchat leider mit einer Algorithmusänderung in die Quere… Dadurch gingen die Views zwischenzeitlich kurz zurück, wir haben es aber anschließend wieder geschafft, sie zu steigern.
Was sind eure Learnings & Tipps aus dem Projekt?
Dagmar: Das A und O ist ein gutes Konzept. Fragen wie „Was will ich damit erreichen?“, „Wen will ich ansprechen?“, aber auch „Wie verteile ich die Arbeit?“ und „Wie bewerbe ich das Projekt, wie stelle ich sicher, dass genügend Resonanz kommt?“ müssen beantwortet werden. Nichtsdestotrotz sollte man offen für alles bleiben und sich einfach mal etwas trauen!
Der Vorteil bei so einem Projekt: Es kommen authentische Persönlichkeiten zu Wort, und dann auch noch jede Woche jemand anders. Das ist spannend, aber gleichzeitig auch riskant, denn manche sind eben mehr, eben weniger aktiv. Unsere Aktion basierte eben komplett auf Freiwilligkeit und bei Snapchat gibt man auch aufgrund der technischen Gegebenheiten die Kontrolle völlig ab.
Auch die Messbarkeit bei Snapchat ist schwierig. Das muss einem bewusst sein. Ansonsten haben wir bei unseren eigenen Takeovers festgestellt, dass Blicke hinter die Kulissen sehr gut ankommen! Was außerdem noch wichtig ist: Beim Snapchatten nicht zu viel nachdenken! Mach dir nicht zu viele Gedanken, wie der Snap aussehen soll, denn dann wirkt es unter Umständen konstruiert und nicht authentisch.
Daher unser Tipp: Einfach machen! Auch wenn man sich mal verhaspelt.
Der Hofhelden Snapchat-Takeover ist seit August 2018 beendet. Wie geht es weiter?
Dagmar: Wir überlegen derzeit, wie wir mit dem Kanal weiter verfahren, denn die Snapchat-Community war sehr traurig, als das Projekt zu Ende ging. Bei unserem Hackathon im Frühjahr werden wir neue Ideen besprechen und überlegen, wie wir die für die „Hofheld-Welt“ weiterentwickeln.
Sicher ist: Es wird auf jeden Fall wieder etwas Neues kommen, es wird zielgruppenorientiert sein und wir werden nach wie vor auf User-Generated Content setzen.
Wir bedanken uns bei Dagmar für das Interview!
Das Interview führte Susanne Maier.
Profilbild: Klaus Strotmann, agrarheute
Screenshots: Dagmar Deutsch
Titelbild: Anna Maucher über Gozha Net auf Unsplash
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