Fernsehen & Social Media: „Protagonisten einbinden – exklusiven Content bieten“

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Ein Interview mit Markus Hermjohannes, Geschäftsführer der Kölner PR-Agentur Foolproofed GmbH

Die Onlinevideonutzung steigt und steigt. Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie 2019 schauen 37 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal wöchentlich Onlinevideos von Video- und Streamingdiensten, unter den 14-29-jährigen sind es sogar 67 Prozent.

Die tägliche Nutzungsdauer von Onlinevideos liegt im Schnitt bei 42 Minuten. Im Jahr 2021 werden wir laut Zenith Online Video Forecast jeden Tag im Schnitt 100 Minuten damit verbringen, Online-Videos anzusehen. Dabei betreffen die Zuwächse sowohl Streamingdienste als auch Mediatheken und Onlinevideos auf Social Media-Plattformen wie YouTube.

Dennoch steht das klassische Fernsehen nicht vor dem Aus. Doch wie wichtig ist angesichts dieser Entwicklungen eine gute Vermarktung für TV-Formate? Wie lassen sich Fernsehen und Social Media in der Praxis kombinieren? Inwiefern verändert Social Media die Art und Weise, wie wir Sendungen verfolgen und mit ihnen interagieren?

Dazu haben wir Markus Hermjohannes befragt, Geschäftsführer der Kölner Agentur Foolproofed, die auf PR und Künstler-Management für TV-Formate wie Dein Song, Germanys next Top Modeloder Deutschland sucht den Superstar spezialisiert ist. 

Ihr übernehmt PR und Künstler-Management für diverse TV-Formate wie „Germany’s next Top Model“. Wie kam es, dass ihr euch darauf spezialisiert habt?

Markus: Diese Spezialisierung ist der Historie unserer Agentur geschuldet. Foolproofed-Geschäftsführer Georg Vetten arbeitet seit Anfang der neunziger Jahre im Entertainment-Business und war unter anderem Pressechef von VIVA Fernsehen und RTL Television. Know-how und ein gut ausgebautes Netzwerk führten folgerichtig zur Fokussierung auf diesen Kundenstamm.

Wir sind stolz, solch namhafte Formate über so viele Jahre begleiten zu dürfen. Hieraus ergeben sich oftmals neue, spannende Aufgaben, für die uns unsere Kunden das Vertrauen schenken.

Wie seht ihr das Wechselspiel von klassischem Fernsehen und Social Media? Wohin geht hier die Entwicklung? 

Markus: Gerade bei den jüngeren Zuschauern geht der Trend in Zeiten des immer größer werdenden Medienangebots mehr und mehr in Richtung On Demand. Dies geschieht neben den reinen On Demand-Anbietern wie u.a. Netflix vielfach über das Online-Angebot der klassischen TV-Sender, den Mediatheken. Das lineare Fernsehen verliert dadurch natürlich Zuschauer.

Dennoch generiert das traditionelle TV gerade bei den Leuchttürmender Unterhaltung immer noch adäquate Reichweiten, und so wird es auch noch einige Zeit bleiben. Letztendlich geht es um Inhalte und Geschichten, die Talk of the Townsind, die einen Impact auf die Menschen haben.

Print- und Onlinemedien berichten über die Protagonisten, die Zuschauer und User tauschen sich in einer Art Nachbesprechung auf den Social Media-Plattformen aus. Dies wiederum weckt Neugierde und hält das Schwungrad in Gang, die nächste Ausstrahlung live vor dem TV mitzuerleben, damit man mitreden kann. 

Es wird für TV-Sender allerdings zunehmend schwieriger, im linearen Programm hohe Einschaltquoten in ihrer werberelevanten Zielgruppe zu generieren. Eine Trendwende ist daher erkennbar.

Die großen Sendergruppen passen sich in ihrer strategischen Ausrichtung den On Demand-Bedürfnissen ihrer Zuschauer an.

Die Online-Auftritte der Sender werden hier sukzessive ausgebaut und in diesem Fahrwasser auch die Präsenz der sendereigenen Social Media-Kanäle. Das Entwickeln von Formaten, die parallel sowohl in der TV-, als auch in der Onlinewelt spielen, wird zukünftig die große Herausforderung sein.

Wie wichtig ist eine gute Vermarktung via Social Media heutzutage für TV-Sender und -Sendungen?

Markus: Neben dem klassischen Anzeigenmarketing und den traditionellen On-Air-Kampagnen nimmt Social Media einen immer größeren Stellenwert für die Vermarktung von TV-Content ein. Speziell die jüngere Zielgruppe lässt sich in Zeiten sinkender Auflagenzahlen der Printmedien immer weniger über klassische Werbung erreichen.

Hinzu kommt, dass sich der Markt in den letzten Jahren stark fragmentiert hat. Es gibt mehr und mehr spezifische Nischen und wesentlich mehr TV-Sender als noch vor zehn Jahren. Über Social Media gelingt es, präzise und nahezu ohne Streuverlust an die Zielgruppe heranzutreten, um ein TV-Format zu promoten. Zeitlich genaue Planbarkeit von Postings, kreative und spontan austauschbare Themenschwerpunkte mit variablen Optiken bieten ein Höchstmaß an Flexibilität und Abwechslung.

Wird über die reichweitenstarken sendereigenen Social Media-Kanäle die Grundlage für die Präsentation gelegt,  ist der User parallel als Follower der formateigenen Channels und der entstehenden Fan-Accounts immer auf dem neuesten Stand und bleibt der Sendung treu.

Welche Rolle spielen Social Media für euch bei der Vermarktung der Formate? Welche Ziele erreicht ihr durch Social Media Marketing?

Markus: Die Rolle von Social Media im Marketingmix wird auch für unsere Agentur natürlich von Jahr zu Jahr bedeutender. Zurzeit lässt es sich allerdings schwerlich eruieren, über welche Medien konkret Zuschauer-Mehrheiten generiert werden.

Eine gesunde Mischung aus klassischer PR in Print, Hörfunk, TV und Online, aus klassischen Marketingmaßnahmen wie Anzeigenkampagnen und On-Air-Promotion, und ganz klar auch vermehrt und immer wichtiger Social Media Marketing bringen am Ende den gewünschten Erfolg.

Das Feedback der Zuschauer zu einem Format ist nirgends so klar und umfangreich zu generieren als durch Social Media.

Die Sendungskritik des Zuschauers wird dadurch in Zukunft auch für die Macher immer wichtiger werden, um Dramaturgien von Formaten entsprechend auszurichten.

Wie lassen sich Social Media und Fernsehen in der Praxis kombinieren? Welche Möglichkeiten und Formate gibt es dafür?

Markus: Hier gibt es in Zukunft sicher einige Möglichkeiten. Durch die Entwicklung von Apps, die mit Themenspecials eine Brücke zu passenden TV-Formaten schlagen, kann das lineare Fernsehen in Zukunft profitieren. Unter anderem konnte ProSiebenSat.1 mit der live moderierten Quiz-App Quippin diese Nische vorstoßen. Dies war für die Sendergruppe eine Art Startschuss für mobiles Live-Entertainment mit der Möglichkeit, Show-Themen aus dem klassischen TV-Kontext interaktiv und direkt auf das Handy des Users zu bringen.

Auch User-Gimmicks wie z.B. das Erstellen von showbasierten GIFs ist ein nettes Tool, den Zuschauern einen Mehrwert zum TV-Format zu bieten und Audience Development zum Format weiter zu etablieren.

Mit neuen Formaten (hier: die live moderierte Quiz-App „Quipp“ von ProSiebenSat.1) können Show-Themen aus dem klassischen TV-Kontext interaktiv und direkt auf das Handy der User*innen transportiert werden.

Welche Plattformen nutzt ihr für die Vermarktung eurer TV-Formate und warum? 

Markus: Ein Themenschwerpunkt bei Foolproofed sind große Castingformate, für die wir unter anderem die Protagonisten-PR (für Kandidaten, Moderatoren, Jury etc.) übernehmen.

Neben den klassischen Themenangeboten für regionale und bundesweite Medien werden idealerweise die Protagonisten selbst als Social Media-Multiplikator direkt in die PR mit eingebunden.

Das geschieht nach Abwägung von Machbarkeiten sowohl über eigens von uns angelegte und betreute Fan-Accounts zu einzelnen Show-Kandidaten als auch über die Bereitstellung von Content für private Accounts und die der prominenten, zum Teil sehr reichweitenstarken Protagonisten.

So konnten beispielsweise bei Germanys next Topmodel viele der von uns für die Models angelegten Instagram-Fanaccounts am Ende mit sechsstelligen Followerzahlen aufwarten. Da unsere Entertainment-Themen naturgemäß stark optikbasiert sind, geht der Trend klar zu Instagram mit einer stark abnehmenden Nutzung von Facebook.

Neben der Vermarktung der TV-Formate an sich setzt die Agentur Foolproofed auch auf die Vermarktung durch Social Media-Einbindungen von Show-Protagonisten, wie hier aus der „Dein Song“ (KiKA) und „Switzerland´s next Topmodel“ (ProSieben Schweiz). Screenshots: Foolproofed GmbH

Welche Rolle spielen Social TV-Aktivitäten (die parallele Nutzung von Fernsehen und Internet über den Second Screen) und inwiefern versucht ihr, das Fernsehpublikum zu involvieren?

Markus: Wurde früher ausschließlich auf dem Sofa über die laufende TV-Sendung diskutiert, finden diese Diskussionen heute im Netz statt. Agenturseitig binden wir nach Möglichkeit die Protagonisten der Shows sendungsbegleitend in die Social Media-PR mit ein, um Follower zu Kommentaren und Diskussionen auch während der Sendung zu motivieren.

Je ausgiebiger die Live-Diskussion zu Szenen, Auftritten und Ergebnissen, desto enger die Bindung der User an das TV-Format. Und desto größer ist die Chance, dass er/sie das nächste Mal wieder einschaltet. Mit der Möglichkeit, im Schutz der Anonymität des Netzes in Echtzeit Dampf abzulassen, existiert natürlich auch immer die Gefahr von Shitstorms und ethisch verwerflichen User-Kommentaren.

Die Kunst ist es, die Diskussion durch geschickte Themenposts in die für das Format und den Protagonisten günstige Richtung zu lenken.

Inwiefern müssen ergänzende Formate für die Vermarktung von TV-Sendungen für Social Media-Kanäle geschaffen werden bzw. neue Formen der Content-Kreation?

Markus: Die guten Ansätze für eine zusätzliche Social Media-Flankierung sind längst da. Backstage-Reportagen, Vorstellungsvideos, Interviews mit Sendungsprotagonisten durch Webreporter oder Countdown-Aktionen als Teaser auf kommende Show-Highlights sind wichtige Tools, die User und damit potenzielle Zuschauer zu gewinnen. Dazu könnten via Social Media zukünftig vermehrt Livestreams von vorbereitenden Events zur Sendung wie z.B. von Pressekonferenzen in den Fokus rücken.

Wichtig für die Follower ist in jedem Fall die Exklusivität des Contents, sprich der Mehrwert über die in der Sendung angebotenen Inhalte hinaus.

Hierfür bedarf es senderseitg Mut, einen exklusiven Content zu entwickeln und frei zu geben, ohne beispielsweise eine zu große Spoiler-Gefahr auf Sendungsinhalte befürchten zu müssen.

Für Social Media sollten ergänzende Formate geschaffen werden, die über den Inhalt der Sendung hinausgehen und exklusiven Content beinhalten, wie hier bei einem Backstage-Interview für Facebook mit Kandidaten von Switzerland’s next Top Model.
Bildquelle Screenshots: Foolproofed GmbH

Ihr bietet auch Medientrainings für Künstler an. Was lernen diese dabei in Bezug auf Social Media, und welche Kompetenzen sind hier eurer Meinung nach wichtig?

Markus: Die Präsenz in den sozialen Medien als Person des öffentlichen Interesses wird von vielen werdenden Künstlern wie Kandidaten einer Castingshow und auch erfahrenen Entertainern oftmals unterschätzt. Nicht jeder ist schließlich von Natur aus mit den bestmöglichen Influencer-Skills gesegnet und die Social Media-Welt ist leider nicht nur voller rosa Wolken.

Das professionelle Verhalten gegenüber den Usern und die nüchterne Einschätzung von Kommentaren – die leider auch schon mal unter die Gürtellinie gehen können sind eine absolute Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Social Media-Performance. Denn auch der coolste Eisblock lässt sich durch emotionale User-Kommentare triggern. Hier ist es wichtig, sich ein dickes Fell zuzulegen und wohlüberlegt zu handeln.

Eigene Rechtfertigungen auf den Channels bewirken oftmals eine Potenzierung des Shitstorms.

Sachlichkeit ist das einzig probate Mittel gegen hochkochende Emotionen so schwierig es auch in manchen Situationen fällt. 

Anders als bei Privatpersonen haben Personen des öffentlichen Interesses natürlich auch eine gewisse Verantwortung gegenüber ihren Fans im Netz. Der Künstler sollte Interesse an seiner Fangemeinde haben, aktiv Fragen stellen und beantworten, abwechslungsreichen Content präsentieren, auch mal auf Kritik reagieren und ein persönliches Verhältnis aufbauen. Das bedeutet Arbeit, die aber letztendlich Früchte tragen wird, wenn man das Thema Social Media strategisch angeht.

Wir danken Markus für das Interview!  

Markus Hermjohannes (45) ist bei der Kölner PR-Agentur Foolproofed GmbH als Geschäftsführer tätig und zusammen mit Agenturgründer Georg Vetten für die konzeptionelle PR-Betreuung von Großkunden aus dem Entertainment-Bereich und für Personality-Strategien im angeschlossenen Künstlermanagement verantwortlich. Zuvor betreute er als PR-Redakteur für die Agentur Allendorf Riehl GmbH im Bereich Medienkoordination und PR bekannte TV-Moderatoren und Unterhaltungsformate.


Das Interview f
ührte Susanne Maier.
Titelbild: Anna Maucher über Gaspar Uhas auf Unsplash

Dieser Artikel erschien zuerst im SocialHub Mag – lade dir unser Social Media-Magazin hier kostenlos herunter!

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