Daumen hoch, Polizei! So arbeiten deutsche Polizeien in Social Media

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Ein Interview mit Florian Hirschauer, Polizei München, Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin und Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken

Ob die #Wiesnwache der Polizei München, das #ErlaubtAberFalsch-Meme der Polizei Mittelfranken oder das schlagfertige Community Management der Polizei Berlin: Die deutschen Polizeipräsidien sind von Social Media inzwischen nicht mehr wegzudenken. Und das ist auch gut so, denn mithilfe der sozialen Medien können die Polizeien minutenaktuell von Einsätzen berichten, in Krisensituationen schnell und einfach Fragen beantworten und generell über die Polizeiarbeit und ihre Hintergründe aufklären, was besonders in der aktuellen Debatte zur Polizeigewalt in Amerika sehr notwendig geworden ist. 

Wir haben mit Florian Hirschauer (Polizei München), Benjamin Plaschnick-Hohlbein (Polizei Berlin) und Dominik Seidlein (Polizei Mittelfranken) über ihre Arbeit auf Social Media gesprochen und dabei einiges gelernt. Wusstet ihr zum Beispiel, dass alle Polizeipräsidien in Bayern inzwischen verpflichtet sind, auf den sozialen Medien vertreten zu sein? Oder dass ihr online im Normalfall keine Strafanzeige stellen könnt? Falls nicht, dann klärt euch unser Freund und Helfer jetzt auf.


Florian Hirschauer, Pressesprecher, Polizei München


Florian Hirschauer
ist Kriminalhauptkommissar und Pressesprecher sowie Teamleiter Digitale Medien bei der Polizei München. Er ist seit 17 Jahren bei der Bayerischen Polizei und hat hier ein Studium und verschiedene Dienststellen durchlaufen. Wenn es um Social Media bei der Polizei München geht, ist er der richtige Ansprechpartner. 


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Social-Media-Team, Polizei Berlin


Benjamin Plaschnick-Hohlbein ist Kriminaloberkommissar und arbeitet eigentlich beim Landeskriminalamt Berlin. Im Moment hat er im Rahmen eines dreijährigen Rotationsprogrammes als Nachwuchsführungskraft die Möglichkeit, das Social-Media-Team der Polizei Berlin zu unterstützen.


Dominik Seidlein, Social-Media-Team, Polizei Mittelfranken


Dominik Seidlein ist Polizeihauptmeister und Teil des Social-Media-Teams der Polizei Mittelfranken.
Zurzeit macht er eine Ausbildung zum „Social Media Manager DHPol“ an der Deutschen Hochschule der Polizei Münster, um die Social-Media-Strategie der Polizei Mittelfranken immer noch weiterzuentwickeln.


 

Wie bist du Social-Media-Manager bei der Polizei geworden und welche Voraussetzungen braucht man für diesen Beruf? 

Florian Hirschauer, Polizei München: Ich bin kein Social-Media-Manager im eigentlichen Sinne. Ich bin vor 17 Jahren zur Bayerischen Polizei gegangen und habe seitdem bei den unterschiedlichsten Dienststellen gearbeitet. Vor meinem Wechsel zur Pressestelle war ich bei der Kriminalpolizei. Als ich Anfang 2016 erfuhr, dass das neu gegründete Social-Media- Team Verstärkung suchte, habe ich mich dort beworben und wurde genommen. Für mich war es eine schöne Herausforderung, den Auftritt unserer Behörde in den sozialen Medien mitzugestalten.

Eine unerlässliche Voraussetzung bei unserem Job ist eine solide polizeiliche Erfahrung. Unser Team besteht aus Kolleg*innen mit unterschiedlichstem polizeilichen Background. Wir werden täglich mit zahlreichen Fragen und Kommentaren konfrontiert, die ohne dieses Wissen nicht zu beantworten wären. Zudem tickt eine Behörde ganz anders als ein Unternehmen, das ist für externe Mitarbeiter*innen anfangs eine ziemliche Umstellung. Etwas technisches Grundverständnis schadet auch nicht, da wir unseren Content selbst produzieren und mit Kameras, Mikrofonen etc. umgehen müssen. Gleichzeitig sind alle Polizeibeamt*innen im Team auch Sprecher*innen der Münchner Polizei, man sollte deshalb kein Problem damit haben, vor der Kamera zu stehen.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Ich selbst bin, wie die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen, kein ausgebildeter Social-Media-Manager. Alle im Team sind Polizist*innen und haben zuvor ihre Berufserfahrungen im Polizeialltag gesammelt.

Wer bei uns im Team arbeiten möchte, sollte eine Affinität für die Arbeit auf sozialen Netzwerken haben und auch gerne schon erste Erfahrungen auf verschiedensten Plattformen gesammelt haben. Damit ist der Einstieg bei uns am einfachsten. Darüber hinaus sollte man kreativ, humorvoll und technikaffin sein, und natürlich mit Herzblut und Leidenschaft zu seinem Beruf stehen, um ihn gerne zu repräsentieren.


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Bei der Bayerischen Polizei wird viel Wert darauf gelegt, dass die Social-Media-Kanäle von erfahrenen Beamt*innen betreut werden. Aus diesem Grund wählen wir bevorzugt ausgebildete Polizeibeamt*innen für diese Arbeit aus.

Ich habe 2010 die Ausbildung zum Vollzugsbeamten gemacht und 2012 erfolgreich abgeschlossen. Danach habe ich mehrere Jahre im Einzeldienst bei einem Einsatzzug verbracht und dort viel Erfahrung bei der Bewältigung von Einsatzlagen gesammelt. Erst danach bin ich in das Präsidium der Mittelfränkischen Polizei gewechselt, um noch mehr über die Organisation und die verschiedenen Spezialbereiche zu lernen. Seit Anfang 2019 betreue ich, mit drei weiteren Kollegen, die Social-Media-Kanäle unseres Präsidiums.

Anfang 2020 habe ich außerdem die Möglichkeit bekommen, über die Deutsche Hochschule der Polizei in Münster meinen Abschluss als „Social Media Manager DHPol“ zu erlangen. Und das mache ich gerade.

Ein Social-Media-Manager alleine reicht bei euch natürlich nicht, um eure Kanäle betreuen zu können. Wie ist euer Social-Media-Team aufgestellt und wie sieht euer Arbeitsalltag aus?

Florian Hirschauer, Polizei München: Wir sind ein sechsköpfiges Team: vier Polizeibeamte, eine Social-Media-Managerin und eine Grafikerin. Alle sind wir Teil der Pressestelle und arbeiten auch regelmäßig mit den Kolleg*innen der klassischen Pressearbeit zusammen. Seit Mai 2020 habe ich die Teamleitung übernommen, nachdem der Kollege Oliver Timper, der das Team aufgebaut hat, sich beruflich weiterentwickelt und uns verlassen hat. Wir sind aktuell auf Facebook, Twitter und Instagram zu finden. Facebook und Twitter betreiben wir seit September 2014, Instagram seit September 2019.

Unser Arbeitsalltag wird eindeutig vom Community Management bestimmt. Insbesondere nach den Wochenenden ist der SocialHub voll mit Tickets, die abgearbeitet werden müssen. Wir möchten ansprechbar sein, was für eine Behörde nicht gerade selbstverständlich ist. Wer uns eine vernünftige Frage stellt, erhält auch eine Antwort. Social Media ist keine Einbahnstraße und das schätzen die User*innen sehr. Aber es macht auch viel Arbeit und kann sehr anstrengend werden.

Einer von uns ist den ganzen Tag ausschließlich mit dem Community Management beschäftigt und wird dabei bei Bedarf von anderen Kolleg*innen unterstützt. Der Rest des Teams kümmert sich um Termine, erledigt Anfragen und wenn dann noch Zeit übrig ist, produzieren wir Content.

Social Media ist keine Einbahnstraße.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Wir sind aktuell fünf Personen im Social-Media-Team der Polizei Berlin. Wir haben keinen festen Redaktionsplan, denn unsere Arbeit lebt vom Alltagsgeschehen der Polizei. In einer Großstadt wie Berlin fallen eine Menge Einsätze an, über die wir berichten können. Da wir mit vielen Dienststellen gut vernetzt sind, erhalten wir regelmäßig Informationen zu außergewöhnlichen oder besonders erfolgreichen Einsätzen. 

Zurzeit nutzen wir aktiv die Kanäle Twitter, Facebook, Instagram, YouTube und anlassbezogen Snapchat. Wir sind rund um die Uhr erreichbar. Unsere Kanäle betreuen wir aktiv von Montag bis Freitag in der Zeit von 6 bis 22 Uhr und am Wochenende von 10 bis 20 Uhr. Außerhalb dieser Zeiten ist immer jemand aus dem Team rufbereit und für alle Kolleginnen und Kollegen erreichbar.

Die Polizei Berlin ist als @polizei.berlin sogar auf Snapchat vertreten.

Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Unsere Kanäle (Facebook, Instagram und Twitter) werden von mir und meinen drei Kollegen betreut. Weil sich unser Team aus ehemaligen Kriminalbeamten, Beamten aus Einsatzeinheiten und Beamten des polizeilichen Streifendienstes zusammensetzt, sind wir sehr breit aufgestellt und bündeln Erfahrungen aus beinahe allen Bereichen unseres Präsidiums. 

Einen typischen Arbeitsalltag gibt es bei uns eigentlich nicht, da wir uns immer mit aktuellen Einsätzen und Themen beschäftigen und diese für unsere Posts verwenden. Trotzdem beginnt jeder Tag mit einer morgendlichen Lagebesprechung, in der die verschiedenen Ereignisse des Vortages durchgegangen werden. Danach werden durch unser Team verschiedene Beiträge vorbereitet und während des Tages veröffentlicht. Wir sind dafür auch in ständigem Kontakt mit unseren verschiedenen Dienststellen, von Öffentlichkeitsfahndungen, Einsatzbegleitungen und Tierrettungen ist da alles dabei. 

Unser Arbeitstag endet allerdings nicht mit Dienstende. Auch danach ist immer jemand von uns für ungeplante Einsätze erreichbar. In solchen Fällen werden wir durch die Einsatzzentrale alarmiert, die unsere Kanäle außerhalb unserer regulären Dienstzeit im Blick hat.

Welche Vorteile hat deiner Meinung nach eure Präsenz und Arbeit auf Social Media?

Florian Hirschauer, Polizei München: Wir sprechen die Leute dort an, wo inzwischen jeder zweite vertreten ist. Nahezu jeder hat heute ein Smartphone und ist permanent, je nach Mobilfunkausbau, online. Natürlich ist die klassische Pressearbeit immer noch eine wichtige Säule, Social Media ergänzt hier aber sehr gut. Wir können Menschen direkt mit unseren Nachrichten erreichen und inzwischen erwarten die User*innen, dass sie mit einer Behörde dieser Größe bequem mit dem Smartphone auf den Plattformen kommunizieren können, wo man sowieso schon registriert ist.

Behörden waren nicht unbedingt für ihre leichte Ansprechbarkeit bekannt, das hat sich bei uns völlig gewandelt. Natürlich kann jede Bürgerin und jeder Bürger auf eine Wache gehen und dort das jeweilige Anliegen vortragen, das macht bei Straftaten auch absolut Sinn. Für die kleineren Fragen kann man uns aber einfach anschreiben, egal ob als Kommentar, Mention oder als private Nachricht, und erhält zeitnah eine Auskunft. Wir haben bewusst auch die privaten Nachrichten auf allen Kanälen aktiviert, weil das von vielen User*innen genutzt wird, um Fragen zu stellen, die nicht jeder mitlesen soll.

Zudem können wir einem Teil der Community, der im Alltag nie etwas mit der Polizei zu tun hat, unseren Arbeitsalltag etwas näher bringen. Vielleicht hilft es den Kolleg*innen auf der Straße etwas weiter, wenn die Menschen mehr Verständnis für polizeiliches Handeln haben, weil sie bei uns einen kleinen Blick hinter die Kulissen bekommen.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Ein großer Vorteil ist, dass wir unsere Arbeit als Polizei transparent darstellen können. Damit einhergehend können wir zeigen, wie vielfältig unser Beruf ist und gleichzeitig das Interesse junger Menschen an einem Job bei uns wecken, weil natürlich die meisten auf Social Media sehr aktiv sind. Wir können also genau die Zielgruppe über die sozialen Medien ansprechen, die wir als zukünftige Polizist*innen brauchen.

Darüber hinaus können wir mit unserer Arbeit in den sozialen Netzwerken auf Tendenzen sowie Berichterstattung Dritter über polizeiliche Einsätze schnell reagieren. Dazu gehören mitunter auch Shitstorms, denen wir in der Regel schnell entgegenwirken können, wenn wir Sachverhalte richtigstellen, die durch andere falsch dargestellt wurden. Der herkömmliche Weg über Pressemitteilungen dauert oft länger und findet weniger Gehör in der Netzgemeinde.


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Wir haben uns das Ziel gesetzt, eine bürgernahe und ansprechbare Polizei zu sein und so positiv wie möglich wahrgenommen zu werden. Das schaffen wir nirgendwo so gut wie auf Social Media und deswegen auf jeden Fall der größte Vorteil.

Ein weiterer, großer Vorteil ist natürlich die direkte Kommunikation im Einsatzfall. Wir können sehr schnell sehr viele Menschen vor Gefahren warnen, Updates geben oder auch über neue Kriminalitätsphänomene aufklären.

Über Social Media können wir sehr schnell sehr viele Menschen vor Gefahren warnen

Für Behörden gelten andere Regeln auf Social Media als beispielsweise für Unternehmen. Welchen Herausforderungen muss sich eine Polizei beim Einsatz von Social Media stellen?

Florian Hirschauer, Polizei München: Auf den ersten Blick passen Behörden und Social Media nicht zusammen. Das liegt daran, dass hier datenschutzrechtliche Fallstricke lauern. Es ist notwendig, dass unsere Auftritte konzeptionell gut hinterlegt sind und das Handeln auf den Plattformen sich natürlich an gesetzliche Bestimmungen wie die DSGVO hält.

Das Auskunftsrecht bei Straftaten obliegt zum Beispiel grundsätzlich der Staatsanwaltschaft, hier bedarf es, wie auch in der klassischen Pressearbeit, der Absprache, ob die Inhalte aus ermittlungstaktischer Sicht für die Veröffentlichung geeignet sind. Außerdem achten wir sehr darauf, keine Exklusivinhalte auf Social Media zu veröffentlichen. Wir verkaufen weder Reisen noch Autos und sind nicht auf Klicks angewiesen. Deshalb möchten wir nicht mit den Berufsgruppen, die mit Journalismus ihr Geld verdienen, in Konkurrenz treten. Sämtliche Inhalte, außer allgemein polizeiliche Botschaften, werden in unserem Pressebericht verarbeitet und zunächst an Medienvertreter gegeben. 

Ein weiterer Punkt ist die Sprache in den sozialen Medien, die in ihrer Tonalität nicht mit dem typischen Beamtendeutsch zu vergleichen ist. Für uns besteht die Herausforderung darin, polizeiliche Themen so aufzuarbeiten, dass sie jeder versteht, die Inhalte jedoch nicht verfälscht sind oder falsch interpretiert werden können. Social Media muss in der Sprache kurz und prägnant sein, nicht zuletzt wegen der Zeichenbeschränkung auf Twitter. 


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Die größte Herausforderung bestand darin, die Social-Media-Dienststelle aufzubauen. Nicht alle unserer Beamt*innen waren oder sind Social Media gegenüber positiv gestimmt. Für den Aufbau einer solchen „besonderen“ Dienststelle innerhalb einer Sicherheitsbehörde hat es viel Durchhaltevermögen und Überzeugungskraft gebraucht, und wir mussten die Vorteile unserer Arbeit gut rüberbringen.

Dazu kommt, dass die Beiträge natürlich von der Zuarbeit und damit auch der Social-Media-Akzeptanz der Kolleg*innen auf der Straße leben. Sie müssen uns über besondere und spannende Einsätze informieren und uns Fotos davon schicken, damit wir interessante Beiträge dazu veröffentlichen können. Das war anfangs nicht ganz einfach. Mittlerweile sind aber viele mit im Boot. Zeitweise müssen wir uns bei den Kolleg*innen sogar dafür entschuldigen, dass wir aufgrund der Menge nicht alle Einsätze veröffentlichen können. Das sind Luxusprobleme.

Essentiell für unsere Arbeit ist die Verantwortung, der wir uns jeden Tag bewusst sein und für die wir Sorge tragen müssen. Alles, was über unsere Kanäle veröffentlicht wird, muss natürlich der Wahrheit entsprechen und entsprechend geprüft werden. Nach dieser Maxime arbeiten hier alle im Team. Sollte doch mal etwas schieflaufen, sind wir selbst unsere größten Kritiker und versuchen, Wege zu finden, es in Zukunft besser zu machen. 


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Für uns als Behörde gelten natürlich andere Spielregeln, wie für Privatpersonen oder Firmen. Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gibt es für uns als Behörde beispielsweise nicht. Wir vertreten auf unseren Kanälen keine Meinungen, sondern sind immer unabhängig und objektiv.

Auch beim Thema Humor müssen wir mit viel Fingerspitzengefühl vorgehen. Als Polizei sind wir zwar auch nur Menschen mit einer gesunden Portion davon, dürfen aber nicht öffentlich als „Spaßverein“ missverstanden werden. Das würde unserer oft ernsten Tätigkeit nicht gerecht werden und ein falsches Bild der Wirklichkeit wiedergeben. 

Apropos Humor: Polizeien sind vielen Follower*innen für ihre humorvolle Social-Media-Kommunikation bekannt. Wie wichtig ist euch Humor? Wie gelingt euch der Spagat zwischen ernst/objektiv und humorvoll/schlagfertig?

Florian Hirschauer, Polizei München: Die Kommunikation von Polizeien auf Social Media ist ein sehr schmaler Grat. In erster Linie sind wir natürlich nicht dafür verantwortlich, unsere Follower*innen zu unterhalten. Aber wir wissen auch, dass Social Media von Emotionen lebt. Wir sind der Meinung, dass man als Behörde auch Humor zeigen darf und Schlagfertigkeit gehört als Grundvoraussetzung zur Öffentlichkeitsarbeit dazu. Schließlich wollen wir uns auch als moderne und bürgernahe Behörde präsentieren. Die Dosis macht das Gift. Deswegen erlauben wir uns auch ein paar Wortspiele, ein bisschen Humor und Sticheleien auf Social Media, aber nur, wenn es zur Situation passt. Bei ernsten Sachverhalten wird man von uns weder Ironie oder Zynismus lesen, dann ist die Tonalität ernst und absolut sachlich. 

Viele unserer humorvollen Posts sind aus der #Wiesnwache (mehr dazu erfahrt ihr in dem Einzelinterview mit der Polizei München in diesem SocialHub Mag) entstanden. Hier wollen wir die anstrengende und vielschichtige Arbeit aller Kolleg*innen der Wiesnwache auf eine für eine Behörde unübliche Art darstellen. Und das kommt sehr gut an!


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Humor spielt für uns eine wichtige Rolle. Spaß bei der Arbeit muss einfach sein, damit sie qualitativ hochwertig ausfällt. Nichts ist schlimmer, als wenn man sich jeden Tag zur Arbeit „schleppt“ und keine Lust darauf hat. Wichtig ist dabei nur, dass man immer wieder den Weg zur Ernsthaftigkeit findet, sobald es die Einsatzlage verlangt. Witze auf Kosten anderer machen wir aber nicht. Wir verlangen stets von uns selbst, die Perspektive der Betroffenen einzunehmen. Wie der Spagat genau funktioniert, kann ich nicht genau sagen. Aber ich denke, er gelingt uns. 😉


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Wir haben in unserem Team sehr viel Spaß an dem, was wir tun. Das merkt auch unsere Community. Es ist nicht so, dass wir sagen: heute kommunizieren wir lustig und morgen wieder sachlich. Hier erfordert es einfach Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Es gibt oft Fälle, in denen eine lustige Antwort zwar möglich, aber einfach unangebracht wäre, weil der Kommentator seine Frage ernst gemeint hat.

Gerade während der ersten Wochen mit Corona-Maßnahmen haben wir sehr oft seltsame Fragen gestellt bekommen. Allerdings lag dies in den meisten Fällen daran, dass die Menschen verunsichert oder überfordert waren und nicht wussten, was sie noch dürfen und was nicht. Hier wäre es aus unserer Sicht falsch gewesen, mit Sarkasmus oder Humor zu antworten. Wir haben während dieser Zeit mehr Zuspruch für unsere sachliche Kommunikation bekommen, als es mit Humor wahrscheinlich möglich gewesen wäre. Selbst unser virales “Rechtlich dürfen sie das”-Meme war ursprünglich eine sachliche Antwort auf eine ernst gemeinte Frage. Letztendlich kommt es auch darauf an, eine gesunde Mischung hinzubekommen und die verschiedenen Zielgruppen effektiv anzusprechen.


Wie man Humor als Behörde richtig einsetzt, beweisen alle drei Polizeipräsidien auf ihren sozialen Kanälen.

Welchen/welches Social-Media-Kanal/-Format benutzt ihr für welchen Zweck und welche Art von Content veröffentlicht ihr dort?

Florian Hirschauer, Polizei München: Wir versuchen, unsere Kanäle User*innen-angepasst zu bespielen. Auf Facebook veröffentlichen wir unseren Pressebericht, Fahndungen und versuchen mit unseren Beiträgen Kriminal- und Verkehrsprävention zu betreiben. Außerdem wollen wir einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen und die Arbeit der Kolleg*innen zeigen. Für die Krisenkommunikation ist die Plattform aufgrund des Algorithmus nicht geeignet. 

Instagram ist sehr bildlastig, Texte werden in der Regel nicht gelesen. Wir versuchen hier, verschiedenste Situationen des polizeilichen Alltags in einem ansprechenden Bild festzuhalten. Interessierte kriegen noch eine Erklärung in Textform. Auch hier ist Krisenkommunikation nicht der primäre Anwendungsbereich. 

Twitter ist aufgrund der Möglichkeit der Echtzeitkommunikation im Falle einer Krise die erste Wahl. Wir können User*innen und vor allem relevante Stakeholder, wie Medienvertreter und andere Interessensverbände, schnell und direkt erreichen. Eine große Herausforderung sind hier natürlich die 280 Zeichen. Auch außerhalb einer Krise ist Twitter für schnelle Meldungen das geeignetste Mittel, die Plattform ist jedoch sehr diskussionsanfällig.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Unser Content ist vielfältig. Auf den Kanälen Facebook und Twitter berichten wir hauptsächlich über Einsätze aus dem Alltag, warnen vor Gefahren oder Betrügern, zeigen Neuerungen oder Neubeschaffungen unser Behörde, gewähren Einblicke hinter die Kulissen uvm.

Auf Instagram veröffentlichen wir insbesondere Fotos, die technisch und optisch gut geworden sind und für sich alleine sprechen. Dazu zählen z.B. gerettete Tiere aus Notlagen, Fotos unserer Fahrzeuge, herausragende Einsätze, junge Kolleg*innen im Einsatz uvm. Mithilfe der Story-Funktion beziehen wir unsere Follwer*innen aktiv mit ein. Wir stellen häufig Fragen in die Runde, die wir dann auch beantworten. Hauptthema ist auch hier wieder das Recruiting.  

Bei Twitter ist es so, dass wir mittlerweile Kanäle für verschiedene Themengebiete aufgebaut haben (mehr dazu erfahrt ihr in dem Einzelinterview mit der Polizei Berlin in diesem SocialHub Mag), auf denen dann letztlich auch entsprechende Expert*innen aus den jeweiligen Fachbereichen autorisiert twittern (Karriere, Prävention). Damit betreiben wir eine etwas andere Art von „Community Policing“.

Wir nutzen auch YouTube sehr aktiv. Mit selbstproduzierten Videos aus der Polizeiakademie zeigen wir Berufsinteressierten, was bei der Einstellung und in Ausbildung/Studium auf sie zukommt. Und das sind eine Menge toller und spannender Sachen. Darüber hinaus veröffentlichen wir auf YouTube sogenannte kriminalpräventive Videos, um z.B. zu zeigen, wie man sich vor Trickbetrüger*innen, Einbrecher*innen und Dieb*innen schützen kann.


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Wir nutzen alle unsere Kanäle für die gleichen Zwecke. Wir wollen mit unseren Follower*innen in Kontakt treten, über unsere Arbeit informieren und wichtige Informationen schnell verteilen. Weil aber jeder Plattform anders ist, geschieht das überall auf sehr unterschiedliche Weise.

In Fällen, in denen Geschwindigkeit gefragt ist und Informationen ohne Zeitverzug verteilt werden sollen, ist für uns Twitter die beste Wahl. Hier können wir z.B. sehr schnell und direkt viele Menschen warnen oder über mögliche Gefahren informieren.

Bei Themen, die wir redaktionell aufbereiten müssen bzw. ein großes öffentliches Interesse zu erwarten ist, nutzen wir gerne Facebook, weil wir hier komplexe Sachverhalte in Text- oder Videoform erklären können, die dort viel kommentiert und diskutiert werden.

Instagram ist für uns der Kanal, über den wir am transparentesten über unsere Tätigkeiten informieren können. Der starke Fokus auf Bilder und Videos macht den Kanal in meinen Augen einfach einzigartig.


Auch Polizist*innen wissen, dass sie mit ansprechenden Fotos auf Instagram überzeugen müssen.

Community Management spielt für euch eine wichtige Rolle. Wie viele Anfragen und Kommentare bekommt ihr etwa am Tag und wie managed ihr das Aufkommen?

Florian Hirschauer, Polizei München: Das kann man nicht pauschal sagen. Es kommt immer auf die aktuelle Berichterstattung oder unsere Inhalte an. Wir haben täglich ein niedriges dreistelliges Ticketaufkommen, wenn wir außer unserem Pressebericht keine Inhalte bringen. Das ändert sich jedoch schnell, sobald wir über aktuelle Einsätze berichten oder Beiträge ein gewisses Diskussionspotenzial haben, dann sind die Tickets schnell vierstellig. Zu Anfangszeiten der Corona-Ausgangsbeschränkungen erreichten uns in knapp drei Monaten sogar ca. 80.000 Tickets, überwiegend mit Fragen zur sehr dynamischen Regelungslage.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Das schwankt von Tag zu Tag. Durchschnittlich sichten wir pro Tag etwa 1000-1500 Tickets im SocialHub, also Kommentare und Nachrichten. Die Tickets arbeiten wir alle gemeinsam über den Tag verteilt ab, sodass wir täglich auf dem aktuellen Stand sind und keine Tickets „vor uns herschieben“. 


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Das variiert sehr stark und ist auch immer abhängig von den Themen unserer Beiträge. Es gibt die seltenen, sehr ruhigen Tage, an denen keine 100 Kommentare zusammenkommen. Es gibt aber auch Tage, wie z.B. während der Corona-Anfangsphase, an denen wir auf 1000 bis 2000 Tickets am Tag kommen. Für diese Menge an Kommentaren sind wir natürlich auf ein effizientes Managementsystem angewiesen und sind sehr froh, den SocialHub im Einsatz zu haben.

„Für die Menge an Kommentaren und Nachrichten, die wir bekommen, sind wir auf ein effizientes Managementsystem angewiesen und sind sehr froh, den SocialHub zu haben!“

Begleitet ihr eure Einsätze auch live auf Social Media? Falls ja, wie macht ihr das? 

Florian Hirschauer, Polizei München: Das würde einige User*innen natürlich am meisten interessieren, aber wir können alleine aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Live-Formate bieten. Zudem stellt sich für uns die Frage, ob hier von unserer Seite aus ein Mehrwert besteht. Im Rahmen eines Twitter-Marathons versuchen wir die Bandbreite unseres Streifendienstes darzustellen. Das machen wir zwar live, allerdings nicht per Videostream, sondern mittels Text und vereinzelt mit Bildern. Versammlungen sind für uns völlig tabu, da diese gesetzlich besonders geschützt sind.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Sofern es die Zeit zulässt, begleiten wir die Einsätze am liebsten live und vor Ort. Der Großteil unserer Beiträge besteht jedoch aus zugesandten Sachverhalten und Fotos von den Kolleg*innen vor Ort. Live-Begleitungen führen wir direkt vom Ort des Geschehens mit unseren Tablets oder Smartphones durch. Das kann unterschiedlichste Einsatzanlässe betreffen wie z.B. Geschwindigkeitskontrollen, Fußballspiele oder Demonstrationen.


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Aktuell übertragen wir hauptsächlich unsere Pressekonferenzen oder besondere polizeiliche Veranstaltungen live. Gerade bei Demonstration sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Live-Übertragung nicht gegeben, da wir als Polizei das Versammlungsgeschehen nur zur Beweissicherung aufzeichnen dürfen. Wir planen für die Zukunft natürlich weitere Live-Events, wobei wir an dieser Stelle noch nicht zu viel davon verraten wollen. Seid gespannt!

Welche Rolle spielt Social Media bei Öffentlichkeitsfahndungen? Spielen die sozialen Medien bei der Suche eine tragende Rolle?

Florian Hirschauer, Polizei München: Wenn die rechtlichen Voraussetzungen für eine Öffentlichkeitsfahndung vorliegen, also ein richterlicher Beschluss, dann nutzen wir die Reichweite unserer Accounts, um die Chance auf einen Fahndungserfolg zu erhöhen. Allerdings posten wir keine Inhalte mit personenbezogenen Daten oder Bildern, wir verlinken lediglich auf unser Fahndungsportal. Wenn sich der Grund der Fahndung erledigt hat, wird diese von dem Portal gelöscht.

Es gab schon Fälle, wo User*innen die Fahndung via Social Media gelesen haben und den entscheidenden Hinweis geben konnten. Die Hinweise sollen uns natürlich nicht über die sozialen Medien geschickt werden. Wir weisen bei jeder Fahndung darauf hin, dass die 110 oder jede Polizeidienststelle die richtige Adresse für Hinweise ist. Unsere Fahndungen werden immer zahlreich geteilt bzw. retweetet, was uns sehr hilft. Natürlich hilft uns diese Möglichkeit auch bei der Suche nach vermissten Menschen.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Ich würde behaupten, dass Öffentlichkeitsfahndungen in sozialen Netzwerken einen größeren Personenkreis erreichen, als der Abdruck in einer Tageszeitung. Somit dürften die Trefferzahlen dank Social Media wahrscheinlich höher sein. Das Teilen und Weiterleiten unserer Beiträge unterstützt außerdem eine schnelle und weitreichende Verbreitung der Fahndungen.


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Bei Öffentlichkeitsfahndungen, besonders wenn eine Gefahr für den oder die Gesuchte(n) besteht, sind wir sehr froh, unsere Reichweite effektiv einsetzen zu können. Wir veröffentlichen unsere Fahndungen immer auf allen Kanälen, das beginnt bei der Pressestelle und endet nicht mit unseren Social-Media-Kanälen. Wir können auch immer auf die Unterstützung unserer lokalen Presse und der Radiosender setzen. Die hervorragende Zusammenarbeit dieser verschiedenen Bereiche ist es, die hier eine tragende Rolle spielt und nicht alleine die Social-Media-Kanäle.

So sehen Fahndungshinweise auf den Social-Media-Kanälen der Polizeien aus.

Nicht nur auf der Straße passieren viele Verbrechen, auch online gibt es viele kriminelle Vergehen. Nutzt ihr ein Monitoring-Tool, um Straftaten oder Fahndungshinweise im Internet ausfindig zu machen?

Florian Hirschauer, Polizei München: Kurz gesagt – nein. Wir sind Teil der Pressestelle und unser Auftrag lautet Öffentlichkeitsarbeit. Man darf das Social-Media-Team nicht mit einer Art digitalem Streifenwagen gleichsetzen. Es gibt andere Abteilungen aus dem Bereich Cybercrime, auch beim Bayerischen Landeskriminalamt und dem Bundeskriminalamt. Dort wird gezielt nach Straftaten im Internet gesucht.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Nein. Dafür gibt es innerhalb der Polizei Berlin an unterschiedlichen Stellen eigene Internet- und Auswertedienststellen.


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Das ist meistens gar nicht notwendig. Niemand macht ein besseres Monitoring als unsere Community. Da es sich bei vielen Straftaten im Internet, wie z.B. bei Beleidigungen, um Antragsdelikte (wird nur auf Antrag des oder der Geschädigten verfolgt) handelt, wäre ein umfangreiches Monitoring von unserer Seite aus ohnehin nicht zielführend. Außerdem haben wir für Strafverfolgung und Monitoringaufgaben immer noch unsere Kriminalpolizei. 

Kann man als Bürger bei euch Strafanzeigen über Social Media stellen und Straftaten melden?

Florian Hirschauer, Polizei München: Wir kriegen immer wieder Hinweise auf Straftaten im Netz, diese verfolgen wir aufgrund unserer gesetzlichen Verpflichtung. Unsere Social-Media-Plattformen sind jedoch keine Online-Wache. Nutzer*innen, die einen Sachverhalt zur Anzeige bringen wollen, können das bei gewissen Delikten auf unserer Homepage als Online-Anzeige erledigen. Ansonsten ist für ein Strafverfahren die Anzeigeerstattung auf einem Revier der richtige Weg.

Anders sieht es aus, wenn wir Notfälle gemeldet bekommen, da reagieren wir natürlich sofort. Aber auch hier gilt: Im Notfall bitte immer die 110 wählen und uns nicht über Social Media anschreiben. Am Telefon können die Kolleg*innen dann direkt die richtigen Fragen stellen, die für den Einsatz relevant sind. Eine Mitteilung über Social Media führt hier nur zu unnötigem Zeitverzug.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Straftaten sollten grundsätzlich nicht über Social Media angezeigt werden, da eine Strafanzeige immer die Benennung personenbezogener Daten voraussetzt. Unsere Internetwache der Polizei Berlin bietet eine ideale, eigens dafür geschaffene Plattform, um bequem von Zuhause eine Strafanzeige aufzugeben. Alternativ kann eine Strafanzeige auf jeder Polizeidienststelle aufgegeben werden.


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Wir als Social-Media-Team sind personell nicht in der Lage, eine Anzeigenaufnahme für jeden oder jede Bürger*in anzubieten. Für die Erstattung einer Anzeige ist in den meisten Fällen die Vernehmung des Geschädigten notwendig, was ein persönliches Erscheinen auf einer unserer Dienststellen notwendig macht. Auch aus diesem Grund bieten wir derzeit auf unseren Kanälen keine Anzeigenaufnahme an und verweisen auf die lokalen Polizeidienststellen, die Möglichkeit der Online-Anzeige oder im Notfall auf unseren Notruf. 

Die Polizei München und die Polizei Berlin sind ja große Hauptstadtpolizeien. Inwiefern unterscheidet sich eure Social-Media-Arbeit von der einer regionaleren, ländlicheren Polizei?

Florian Hirschauer, Polizei München: Wir haben das Glück, dass sich unsere Zielgruppe in einem räumlich relativ kompakten Bereich befindet. Wir möchten natürlich alle Menschen in München, aus dem Landkreis München und im sogenannten Speckgürtel ansprechen. Wir haben jeden Tag über eine Million Pendler, die aus beruflichen Gründen zu uns in die Stadt kommen, die wir natürlich auch erreichen wollen. Thematisch müssen wir hier nicht groß differenzieren. Bei einem flächenmäßig deutlich größeren Landespräsidium ist die Definition der Zielgruppe deutlich komplexer. Nehmen wir die Ortschaften Ingolstadt und Landsberg am Lech. Organisatorisch gehören beide Städte zum gleichen Präsidium, die Interessen der Bewohner*innen an polizeilichen Meldungen dürften jedoch stark unterschiedlich sein.

Die Münchner Polizei gehört fest zum Stadtbild. Unsere Präsenz auf der Straße ist sehr hoch. Wir arbeiten im Schnitt 1000 Einsätze bei uns im Zuständigkeitsbereich ab. Wir sind das flächenmäßig kleinste Präsidium in Bayern, haben aber das meiste Personal. Ich denke, das Grundverständnis für Polizeieinsätze ist in einem Ballungsraum ein anderes, als auf dem Land. München hat alleine aufgrund der ganzen Tech-Unternehmen und der zahlreichen Universitäten eine sehr affine Zielgruppe, die sich sowieso schon mit den modernen Kommunikationsmitteln beschäftigt. Im Ballungsraum funktioniert schnelles Internet, egal ob DSL oder LTE, allein diese technische Hürde dürfte teilweise im ländlichen Raum immer noch ein Hindernis sein.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Das können wir natürlich nur vermuten. Aufgrund der Größe unserer Polizei und unserer Stadt haben wir womöglich ein größeres Einsatzaufkommen, was die Content-Sammlung für uns wahrscheinlich einfacher macht. 

Auf der anderen Seite stehen wir als Hauptstadtpolizei immer besonders im medialen sowie politischen Fokus. Alle Diskussionen im Netz über die Polizei und besonders über polizeiliche Verfehlungen – egal wo diese stattfanden – gehen nur selten an uns vorbei. Wir sind daher besonders im Community Management gefordert. 

Könnt ihr euch jetzt noch vorstellen, eure Polizeiarbeit ohne die sozialen Medien zu verrichten? Falls nein, warum nicht?

Florian Hirschauer, Polizei München: Diese Dose der Pandora ist jetzt geöffnet. Social-Media-Kommunikation ist bei uns schon Standard und wird von den Bürger*innen stark genutzt, deswegen gibt es hier keinen Weg mehr zurück. Das Interessante ist ja, dass sich die Menschen für die “Marke Polizei” einfach sehr stark interessieren. Sei es durch True-Crime-Podcasts, durch Scripted-Reality-Formate, in denen es um Polizeiarbeit geht, Krimis oder eben Social-Media-Content. Fast jeder hat heute ein Smartphone und ist theoretisch 24/7 online. Ich denke, die Social-Media-Arbeit hat das öffentliche Bild der Polizei positiv beeinflusst und das möchten wir so beibehalten.

„Die Menschen interessieren sich sehr stark für die “Marke Polizei”, sei es durch True-Crime-Podcasts, Krimis oder eben Social-Media-Content.“


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Nein. Social Media gehört einfach in der heutigen Zeit zum Alltag. Nicht nur wir würden es vermissen, sondern auch unsere User*innen, die uns über die Kanäle immer schnell erreichen können, um ihre Fragen loszuwerden oder Einblicke in unseren Beruf zu erhalten. 

Aktuell gibt es in Amerika eine große und viel diskutierte Debatte um Polizeigewalt, die durch den Tod von George Floyd ausgelöst wurde, einem Schwarzen, der von Polizisten bei einer Verhaftung getötet wurde. Wie erlebt ihr aktuell diese Debatte? Hat sich der Umgang und das Verhalten gegenüber euch Polizisten geändert?

Florian Hirschauer, Polizei München: Wir spüren hier in München auf jeden Fall die Auswirkungen dieser Debatte. Es hat sich sowohl das Verhalten gegenüber den Kolleg*innen im Einsatz, als auch unserem Social-Media-Team gegenüber geändert. Vor allem Instagram ist hier sehr auffällig, weil die Benutzergruppe vergleichsweise undifferenziert ist. Wir bekommen aktuell wegen der Vorkommnisse in den USA viele Anfeindungen, was die Arbeit schwierig macht. Oftmals fehlt bei den uns zugesandten Videoclips jeglicher Bezug zur Polizei München, aber hier unterscheiden die User*innen nicht. Polizei ist Polizei, egal ob Berlin, Hamburg, Frankfurt, Chicago oder München.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Wir erleben diese zweifelsohne wichtige Debatte unmittelbar auf allen von uns genutzten Kanälen. Dabei bekommen wir sowohl sehr pauschalisierende, aber auch differenzierende Kommentare und Nachrichten unserer Follower*innen. Uns ist klar, dass die Arbeit der Polizei künftig noch wesentlich kritischer betrachtet werden wird. Wir werden uns diesem Diskurs als Teil der Gesellschaft natürlich stellen.


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Wir wurden diesbezüglich völlig überrascht vom überwältigend positiven Feedback unserer Community. Schon zu Beginn der Debatte hatten wir unter beinahe jedem unserer Beiträge sehr viele positive Kommentare, die unsere und die Arbeit unserer Kolleg*innen auf der Straße gelobt und klar zu den Vorkommnissen in Amerika abgegrenzt haben. Das hat uns natürlich sehr gefreut und wir haben das auch an die Kolleg*innen im Einsatz weitergegeben.

Inwiefern seht ihr euch generell via Social Media Angriffen ausgesetzt? Nehmen Hasskommentare und Fake News zu?

Florian Hirschauer, Polizei München: Ja, das ist in den letzten Jahren eindeutig mehr geworden. Inzwischen wird jeder Einsatz gefilmt. Das Handeln der Einsatzkräfte ist in der absoluten Mehrzahl zwar vollkommen rechtmäßig, aber die auf Social Media veröffentlichten Videoclips sind in der Regel völlig aus dem Zusammenhang gerissen und werden in einem teilweise bewusst verzerrten oder falschen Kontext gesetzt. Der Sachverhalt, der zu den Maßnahmen geführt hat, ist in diesen Videos so gut wie nie zu sehen. Diese Art von Videos werden sehr zeitnah nach dem Geschehen veröffentlicht. Wir haben dann das Problem, dass im Netz Vorwürfe gegen unsere Einsatzkräfte stehen und wir diese in der Kürze der Zeit nicht richtigstellen können, da zunächst kriminalpolizeiliche Ermittlungen nötig sind, um eine richtiges Statement machen zu können.

Viele nutzen die Möglichkeiten der Plattformen bewusst aus, um Hass und Hetze zu schüren und um Falschinformationen und ideologische Botschaften zu verbreiten. Strafrechtlich relevante Inhalte bringen wir konsequent zur Anzeige, das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wer meint, er muss sich auf unseren Seiten mit strafbaren Inhalten Gehör verschaffen, wird Post von der Staatsanwaltschaft bekommen.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Hasskommentare und Fake News nehmen wir regelmäßig in den sozialen Netzwerken wahr. Leider ist Hass im Netz nach wie vor Alltag. Wenn wir auf Social Media berichten, gibt es eigentlich immer mindestens einen Post, in dem behauptet wird, dass diese und jene Tat von „Ausländern“ begangen wurde und wir dies verheimlichen.

Einen drastischen Anstieg von Fake News konnten wir während der Corona-Pandemie beobachten. Während der Hochphase hatten wir es eigentlich täglich mit Fake News zu tun. Beispielsweise wurde ein Plakat mit dem Layout der Polizei Berlin erstellt, bei dem wir angeblich 500€ Belohnung zahlen, wenn uns Personen gemeldet werden, die sich nicht an die Corona-Regeln halten. Das ist natürlich Quatsch, wurde aber leider wochenlang fleißig verbreitet.


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Natürlich gibt es auch immer wieder kritische Stimmen, die mit unserer Kommunikation oder der Arbeit unserer Kolleg*innen nicht zufrieden bzw. einverstanden sind. In diesen Fällen liegt uns sehr viel daran, zu erfahren, wo das eigentliche Problem liegt. Immer wieder kommt es vor, dass bereits lange zurück liegende Ereignisse anderer Polizeibehörden (teils aus dem Ausland) an uns geschickt werden und wir um Stellungnahme dazu gebeten werden. Solche Anfragen sind für uns natürlich schwer zu beantworten, weil uns einfach Hintergründe und zusätzliche Informationen fehlen. Deswegen genügt es oft, den oder die Kommentator*in daran zu erinnern, dass er gerade mit der mittelfränkischen und nicht mit der betroffenen Polizei schreibt. Meistens genügt das.

Polizeien haben auf Social Media, gerade auch aufgrund der aktuellen Polizeigewalt-Debatte, mit vielen Anfeindungen zu kämpfen. Deswegen geht doch einfach mal auf den Polizei-Account eures Vertrauens und lasst ein bisschen Liebe da!

Ob neue Plattformen, Formate oder Funktionen – Social Media entwickelt sich ständig weiter. Welche Trends seht ihr aktuell im Bereich Social Media und gibt es einen Trend speziell bei Polizei-Accounts?

Florian Hirschauer, Polizei München: Wir sehen einen starken Trend in Richtung Corporate Influencer*innen, auch bei den verschiedenen Polizeien. Kolleg*innen zeigen sich auf ihren privaten Accounts auch in Uniform, was bei den Leuten gut ankommt. So wachsen ihre eigenen Accounts und es ist gleichzeitig gute PR für uns Polizeien. Mich freut es, dass unsere Kolleg*innen stolz sind auf ihren Beruf, aber wir sehen diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen, vor allem im Hinblick auf Datenschutz und Nebenverdienst. Solange keine internen Daten herausgegeben werden, die Kolleg*innen quasi als Pressesprecher*innen im Netz fungieren und der Gesamtauftritt mit dem Berufsbild Polizei vereinbar ist, kann man hier durchaus als Behörde profitieren. Ansonsten könnte es Probleme geben. Beim Polizeipräsidium München haben wir aber aktuell keine konkreten Pläne, solche Influencer*innen behördlich einzubeziehen.

„Wir sehen einen starken Trend in Richtung Corporate Influencer*innen, also Kolleg*innen, die sich auch auf ihren privaten Accounts in Uniform zeigen. Das kommt gut an.“


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Andere Polizeien versuchen sich gerade am Thema Community Policing, also Präventionsmaßnahmen über Social Media. Wir in Berlin testen das aktuell ein wenig abgewandelt. Wir versuchen, wie gesagt, auf thematisch getrennten Kanälen ein hohes Maß an Fachlichkeit aus den einzelnen Bereichen mit einzubringen und so auf wichtige Themen aufmerksam zu machen.


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Als Behörde ist es für uns leider nicht immer möglich oder sinnvoll, jeden Trend von Anfang an mitzumachen. Nichtsdestotrotz beobachten wir natürlich alle aktuellen Entwicklungen, um für die Zukunft gut vorbereitet zu sein. Uns ist aufgefallen, dass der Trend weiterhin zu Bild- und vor allem Videobeiträgen geht. Der Erfolg von TikTok ist ja gerade bei der jungen Zielgruppe unbestritten. Das stellt uns natürlich vor ganz neue Herausforderungen, da professionelle Videobeiträge sowohl gut ausgebildetes Personal als auch gute Technik benötigen.

Was sind eure nächsten Pläne/Entwicklungen für eure Social-Media-Strategie?

Florian Hirschauer, Polizei München: Wir wollen noch mehr und tiefere Einblicke in unsere tägliche Arbeit geben, und neue Formate und Kampagnen entwickeln. Außerdem wollen wir Video-lastiger arbeiten und mehr Gesichter der Polizei München zeigen. Wir wollen also menschlichere, persönlichere, tiefergehender und technisch hochwertigere Inhalte veröffentlichen.

An neuen Plattformen ist Jodel aktuell für uns am interessantesten, da die Münchner hier auch sehr aktiv sind. Jodel ist aber sehr schwer zu monitoren, weshalb wir hier aktuell noch nicht aktiv werden können. TikTok ist zwar zurzeit stark im Trend und würde uns auch die Möglichkeit bieten, eine neue Zielgruppe zu erreichen, aber hier müssen wir noch schauen, ob die Plattform uns etwas bringt. Deswegen konzentrieren wir uns aktuell darauf, unsere bestehende Social-Media- und Content-Strategie zu verbessern.


Benjamin Plaschnick-Hohlbein, Polizei Berlin: Wir sind gerade dabei, unser Konzept eines kooperativen Newsrooms umzusetzen, bei dem eine engere Verzahnung von Pressestelle und Social-Media-Team zu einer noch schnelleren, einheitlicheren und hochwertigeren Behördenkommunikation führen soll. Darüber hinaus arbeiten wir an einer noch stärken zielgerichteten Form des Recruitings über die Social-Media-Kanäle. Dafür wurde das Projektteam „Social Recruiting“ geschaffen, das sich eigens mit diesem Thema befasst. 


Dominik Seidlein, Polizei Mittelfranken: Wenn ihr das wirklich wissen wollt, gibt es wohl nur eine Möglichkeit: BITTE FOLGEN!



Jede Polizei in Deutschland verfolgt auf Social Media eine andere Strategie. Dementsprechend haben wir den Polizeien hier auch noch Fragen speziell auf ihre Social-Media-Aktivitäten und ihre Zielgruppe gerichtet, gestellt. Diese Einzelinterviews folgen hier.



Polizei München: “Social Media ist keine Einbahnstraße.”

2014 wart ihr als erstes bayerisches Polizeipräsidium mit einem eigenen Account auf Facebook und Twitter vertreten. Im Juli 2016 habt ihr große Aufmerksamkeit für eure Social-Media-Berichterstattung während des Amoklaufs in München bekommen. Wie hat sich eure Social-Media-Kommunikation seitdem entwickelt?

Florian Hirschauer: Die Diskussionen auf den Plattformen wurden intensiver. Die Silvesternacht 2015/16 und der Amoklauf im Juli 2016 haben unseren Accounts zu einer enormen Größe verholfen. Einerseits freut es uns, wenn unsere Beiträge eine hohe Reichweite erzielen und wir im Krisenfall unsere Informationen breit streuen können. Andererseits haben wir permanent eine sehr hohe Interaktion auf den Kanälen. Die Diskussionskultur ist nicht unbedingt sachlicher geworden. Inzwischen ist es fast schon egal, welches Thema gerade aktuell ist, die Kommentare sind größtenteils sehr emotional und polarisierend. Viele User*innen wollen provozieren und akzeptieren keinerlei andere Meinung als die eigene. Wir sind sehr an einer guten Diskussion auf den Kanälen interessiert, gerne auch kritisch, solange es sachlich bleibt. Wir erhalten jedoch auch viele Pauschalisierungen, ideologisch getriebene Aussagen und Beleidigungen. Hier gehen wir dazwischen, moderieren und bringen strafrechtlich relevante Inhalte zur Anzeige.

Bayernweit hatte der Amoklauf zur Folge, dass alle Polizeipräsidien inzwischen auf Social Media vertreten sind. Somit können wir uns im Ernstfall auf die Unterstützung von vielen Kolleg*innen verlassen. Für erfolgreiche Krisenkommunikation braucht man starkes Personal, insbesondere um das hohe Ticketaufkommen abzuarbeiten. Während des Amoklaufs am OEZ erhielten wir innerhalb von 72 Stunden ca. 80.000 Tickets. Das zu stemmen war für das damals 5-Köpfige Team eine echte Herausforderung.

Diese Krisensituation hat auf jeden Fall ihre Spuren auf euren Plattformen hinterlassen: Ihr habt aktuell die größten Social-Media-Accounts der Polizeien in Deutschland. Welche Tipps habt ihr für andere Polizeien, Einsatzkommandos, Feuerwehren etc.?

Florian Hirschauer: Es ist immer schwer, anderen Tipps zu geben. Wir sprechen bei regelmäßigen Treffen sowieso miteinander und lernen voneinander. Wichtig ist es, authentisch zu bleiben und ansprechbar zu sein. Es gibt aber regional so starke Unterschiede, dass es meiner Meinung nach keinen Sinn macht, Beiträge und Tonalitäten voneinander zu kopieren. Die Tonalität in München ist einfach ganz anders als z.B. in Berlin. Man muss sich auf die Leute einlassen, verstehen, wie sie ticken, und dementsprechend antworten.

Community Management ist das A und O. Social Media ist keine Einbahnstraße, Interaktion ist meiner Meinung nach das Wichtigste. Es ist außerdem ein gutes Gefühl, den Leuten helfen zu können und ihnen ihre Unsicherheiten zu nehmen. Wenn man sich in Krisenzeiten durch eine starke Kommunikation bewährt hat, dann ist man sowieso schon auf einem sehr guten Weg. Das ist zumindest unsere Erfahrung.

Was den Content angeht, funktionieren bekanntlich Emotionen, Kinder und Tiere am besten. Aber wir sind kein Tierpark, sondern eine Polizei und das sollten wir auch zeigen. Deswegen posten wir nur Content, bei dem wir denken, dass sich die Kolleg*innen aus den eigenen Reihen gut repräsentiert fühlen. Wir retten nicht den ganzen Tag Entenküken. Die meiste Zeit müssen wir uns leider mit sehr unschönen Themen beschäftigen und das versuchen wir auch auf Social Media zu zeigen.

Die Polizei München ist besonders bekannt und beliebt für ihre #Wiesnwache. Die wird es ja dieses Jahr leider nicht geben. Was war dein persönlicher Highlight-Post aus der vergangenen Wiesnwache und was werdet ihr dieses Jahr am meisten daran vermissen?

Florian Hirschauer: Mein persönliches Highlight der #Wiesnwache letztes Jahr war dieser Tweet:

Diese Art von Wortspielen mag ich einfach und sie funktionieren auf Social Media sehr gut. Solange die Botschaft klar rüberkommt, und das ist in diesem Fall “wir haben die Augen offen und nehmen dich fest, wenn du andere Menschen unsittlich berührst”, ist eine Prise Humor für uns in Ordnung.                                                               

Die Leute freuen sich jedes Jahr auf die #Wiesnwache. Die Kolleg*innen werden auch das ganze Jahr über auf die Tweets angesprochen, meistens mit positivem Feedback. Mir wird das dieses Jahr fehlen, das ganze Flair, die tolle Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen. Diese Zeit ist für alle eingesetzten Kolleginnen und Kollegen die intensivste im Jahr, aber es ist auch die schönste. Mal sehen, wie die #Wiesnwache dieses Jahr aussehen wird. Ein bisschen Wiesn-Feeling wollen wir trotzdem gerne vermitteln.

Weil’s so schön war, haben wir für euch unsere persönlichen Highlight aus der #Wiesnwache2019 gesammelt.

 


 

Polizei Berlin: Social Media zur Nachwuchsgewinnung

Ihr habt als eine der wenigen Polizeien in Deutschland mehrere Accounts auf Twitter. Welchen Grund hat das?

Benjamin Plaschnick-Hohlbein: Richtig, auf Twitter haben wir vier Kanäle: einen Hauptkanal, einen Einsatzkanal, einen Präventionskanal und einen Karrierekanal. Grund dafür ist, dass man Themenfelder trennen kann. Interessiert sich jemand einfach nur allgemein für die Polizei, bekommt er mit dem Hauptkanal einen guten Einblick in unsere Arbeit. 

Den Einsatzkanal nehmen wir für einsatzbegleitende Kommunikation im Sinne des Einsatzleiters bzw. der Einsatzleiterin bei langandauernden Einsätzen, die mit mehreren Tweets über einen längeren Zeitraum begleitet werden. Dazu zählen z.B. Versammlungen, Bombenentschärfungen, Fußballspiele usw. 

Über unseren Präventionskanal gibt es umfangreiche Informationen zu Veranstaltungen rund um das Thema Prävention, wie Einbruchsschutz, Schutz vor Trickbetrüger*innen uvm. Darüber hinaus klären wir auf diesem Kanal auch zu Themen wie gleichgeschlechtliche Lebensweisen, Bisexualität sowie Trans- und Intersexualität auf. 

Auf dem Karrierekanal erhalten Berufsinteressierte Informationen rund um die Themen: wie komme ich zur Polizei, wie bewerbe ich mich, welche Voraussetzungen muss ich mitbringen. Aber auch Tarifbeschäftigte in unterschiedlichsten Berufsgruppen suchen wir mithilfe dieses Kanals regelmäßig. Sportlehrer*innen, IT-Spezialist*innen, KfZ-Mechaniker*innen sind nur einige Beispiele von Vielen. 

Wer nicht die Absicht hat, sich zu bewerben, der braucht uns auf diesem Kanal nicht folgen und wird dadurch nicht mit für ihn unnötigen Informationen „geflutet“. Daher haben wir uns für mehrere Kanäle entschieden.

Im Unterschied zu anderen Polizeien betreibt ihr außerdem einen fremdsprachigen Twitter-Account. Sind weitere fremdsprachige Kanäle geplant und wie sind die Erfahrungen damit aktuell?

Benjamin Plaschnick-Hohlbein: Seit 2014 haben wir einen internationalen Twitter-Kanal. Auf dem berichten wir über unsere vielfältige internationale Zusammenarbeit mit Polizeien aus vielen verschiedenen Ländern. Besonders Kooperationen und Hospitationen mit und in anderen Ländern sind für uns als Polizei sehr wichtig, um zu sehen, wie wir im internationalen Vergleich aufgestellt sind. Weitere fremdsprachige Kanäle planen wir derzeit nicht. 

Ihr betreibt auch einen Snapchat-Kanal, das ist auch außergewöhnlich. Wie nutzt ihr diesen und welche Ziele verfolgt ihr auf Snapchat? 

Benjamin Plaschnick-Hohlbein: Snapchat haben wir für die Nachwuchsgewinnung eingeführt. Die jungen User*innen auf Snapchat sind genau die Zielgruppe, die wir in Zukunft als neue Kolleg*innen brauchen. Wir wollen diese mit Videoclips erreichen, da wir die Erfahrung gemacht haben, dass unsere jungen Nutzer*innen lieber Videos anschauen, anstatt lange Berufsinfos zu lesen. Unsere Intention dabei ist es, junge Leute anzusprechen, die die Polizei als attraktiven Arbeitgeber womöglich noch nicht unbedingt auf dem Schirm haben.

Während der Corona-Anfangszeit twitterte die Berliner Polizei einen Tag lang unter #flattenthecurve über kuriose Einsätze rund um die Corona-Maßnahmen. Das kam super an!

 

Polizei Mittelfranken: Über Nacht zum viralen Meme

Erstmal eine persönliche Frage: Was magst du am meisten an deiner Arbeit als Social-Media-Manager bei der Polizei Mittelfranken?

Dominik Seidlein: Da gibt es sehr viele Sachen! Es ist für mich etwas Besonderes, unsere Polizei in der Öffentlichkeit repräsentieren zu dürfen. Das ist für gewöhnlich unseren Dienststellenleitern vorbehalten. Auch der Kontakt zu unserer tollen Community ist etwas ganz Tolles für mich. Doch das wäre natürlich alles nicht möglich, ohne die wertvolle Unterstützung meiner Kolleg*innen im Team. Gerade während der Anfangszeit der Corona-Maßnahmen haben wir gemerkt, dass wir gemeinsam als Team jede (Krisen-)Situation bewältigen können. Und das ist ein schönes Gefühl und macht mich stolz auf meine Arbeit.

Auf Social Media ist eine ordentliche Content-Strategie sehr wichtig. Wie entscheidet ihr, welche Themen ihr auf den sozialen Medien postet? Wer liefert diese Themen?

Dominik Seidlein: Was das angeht, lautet unser Motto: „Einfach öfter mal etwas Neues probieren“. Es gibt in unserem Bereich zwar viele Dauerbrenner, wie Präventionsbeiträge, Verkehrsthemen und die Einblicke in den Berufsalltag, aber wir sind auch immer auf der Suche nach neuen interessanten Themen für unsere Community.

Dabei unterstützen uns speziell geschulte Beamt*innen aus jeder unserer Dienststellen. Diese Kolleg*innen halten für uns im Streifendienst die Augen offen und teilen uns interessante Themen und Sachverhalte mit. Niemand ist so nah am Geschehen dran, wie unsere Kolleg*innen auf der Straße.  

Im April wurdet ihr mit einem eurer Tweets zum Meme. Unter #ErlaubtAberFalsch benutzten Twitter-User*innen eine eurer Aussagen, um Dinge und Umstände zu rechtfertigen, die zwar legal, aber moralisch verwerflich sind. Nun zu der Frage, die uns alle interessiert: Wie wird man zum viralen Meme?

Dominik Seidlein: Wir waren davon selbst völlig überrascht. Und genau genommen haben wir ja auch nur die Vorlage geliefert, die sehr viele Menschen dazu motiviert, hat sehr viele lustige Memes zu kreieren. So etwas passiert eben, wenn man zwar sachlich antwortet, aber dann doch gerade zu viel Spaß am Job hat, um eben „nur“ sachlich zu antworten. Kurz gesagt: Wir wissen nicht, wie wir das geschafft haben, aber wir freuen uns sehr darüber! 🙂

Wie habt ihr die Aufregung um das Meme genau erlebt? Wie habt ihr euch dabei gefühlt und wie war eure Reaktion, als ihr davon erfahren habt?

Dominik Seidlein: Ehrlich gesagt herrschte kurz etwas Panik im Team. Wir haben unsere Antwort unter einem völlig anderen Beitrag gesehen und haben uns gefragt: Hat das wirklich einer von uns kommentiert? Im ersten Moment sind wir also auf eines der ersten Memes hereingefallen, bis wir dann erkannt haben, dass das Ganze nur ein Screenshot unseres ursprünglichen Tweets war. 

Danach hatten wir alle sehr viel Spaß an den Memes! Nachdem uns dann das ganze Ausmaß klar wurde, haben wir uns entschieden die Antwort in unsere normale Kommunikation einzubauen, da sie einfach sehr oft gepasst hat. Einzig die Nachfragen von vielen Kolleg*innen, ob wir diese Antwort wirklich unter all die Posts kommentiert haben, waren letztendlich etwas anstrengend.

Mit #ErlaubtAberFalsch wurde die Polizei Mittelfranken zum Meme und wir hatten viel zu Lachen.


Wir danken Florian, Benjamin und Dominik für die Interviews!

Die Interviews führte Anna Maucher.

Fotos & Screenshots: Polizei Mittelfranken, Polizei München, Polizei Berlin
Titelbild: Anna Maucher über Bruno Martins auf Unsplash

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