Cristiano Ronaldo und Sportler als Influencer

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Ein Gastbeitrag von Julian Dorra, Autor und Lektor bei 5PORT

In 2016, im Endspiel der Fußball-Europameisterschaft, wurde Cristiano Ronaldo in der 8. Minute in einem Zweikampf schwer verwundet. Trotz der üblen Knieverletzung, die der Sportler erlitten hatte, entschied der Schiedsrichter, dass es sich hier nicht um ein Foul handelte. Ronaldo ließ sich davon auch nicht vom Spielen abbringen und kämpfte für eine gute Viertelstunde unter Schmerzen weiter.

Nach 25 Minuten und mehreren Zusammenbrüchen gab er endlich auf und ging vom Feld, unter dem donnernden Applaus des Publikums, von beiden Seiten. Und auch danach noch blieb er am Spielfeldrand aktiv, lieferte seinem Team emotionale Unterstützung und sprach noch einmal zu ihnen, als es zur Nachspielzeit eng wurde. Vielleicht war es genau dieser Zuspruch, der es ihnen möglich machte, so spät im Spiel mit einem dramatischen 1-0 Europameister zu werden.

Wenn man heute “EM 2016” und “Cristiano Ronaldo” in eine Suchmaschine eingibt, wird man mit zahlreichen besorgten Artikeln von damals über den Helden konfrontiert, der Weinkrämpfen zum Trotz weitergekämpft hat, bis man ihn geradezu vom Feld zerren musste. Auch wenn er damals für Portugal spielte, haben Leute auf dem ganzen Kontinent mit ihm gefühlt. Solche Momente zeigen effektiv den enormen Einfluss, den ein professioneller Sportler auf seine Zuschauer haben kann.

Noch im selben Jahr machte Ronaldo einen Werbedeal mit Nike über eine Milliarde Dollar, der auf Lebenszeit, beziehungsweise zumindest für die nächsten 10 Jahre, gelten soll. Aufgrund von Ronaldos enormer Popularität hat sich dieser Vertrag, Schätzungen zufolge, bereits in 2018 refinanziert. Und Nike ist bei weitem nicht der einzige Sponsor, der auf dem Instagram-Profil des Sportlers zu sehen ist.

Sponsorship auf Ronaldos Profil von nubia – Quelle: @cristiano auf Instagram

Ganz unabhängig von den Schuhen, die er als laufendes Werbeplakat im Stadion trägt, hat Ronaldo zusätzlich noch eine Social Media Reichweite von über 260 Millionen Menschen zu bieten. Er verdient inzwischen das doppelte seiner Fußballergage nur aus Werbeverträgen, ein einziger seiner Posts auf Instagram wird auf einen Mehrwert von 400.000 Euro geschätzt. In der Welt des Sports ist er der weiße Wal, den jeder Marketingexperte jagt.

Sportler als Influencer

Wie an Ronaldo zu sehen ist, dessen Spiel völlig unabhängig von Teamloyalitäten gefeiert wurde, ist heute oft der Sportler selbst die Marke. Social Media erlaubt Fans einen intensiveren Einblick in das private Leben ihrer liebsten Sportler als je zuvor und damit auch  Einblick in einen Lifestyle, den sie nachleben wollen. Sie brennen nicht mehr nur für die Leistungen der Sportler, sondern für die Sportler selbst, deren Jahre an hartem Training ihren Anhängern Erfahrung und Stärke vermitteln. Dieser Enthusiasmus, der Anfangs vielleicht fürs Stadion reserviert war, kann somit auch auf Marken und Produkte übertragen werden.

Zusätzlich zu dieser Machtposition von Einfluss und Professionalität ist es aber auch Persönlichkeit und Authentizität, die die Fans heute heutzutage suchen. Das gilt sowohl für einen Profisportler, der mit Knieverletzung weiterkämpft, aber auch für einen verhältnismäßig kleinen Zweitligisten aus ihrer Heimatstadt, der aufzeigt, dass er denselben Sportdrink trinkt, den er auf Instagram promotet.

Für Social Media Manager heißt das im Kern, dass für Sportler dieselben Regeln gelten wie für andere Influencer. Zunächst heißt es hier, seine Zielgruppe zu finden. Alter, Geschlecht, Einkommen, auf welchen Kanälen sie unterwegs sind, welche Themen und Trends sie schätzen – all das muss im Blick behalten werden. Wenn man sich von vornherein auf den Sport und die damit verbundenen Sportler stützt, ist einer der wichtigsten Aspekte beim Aufspüren der Zielgruppe beispielsweise bereits getan: Ein Thema zu finden für das sie starke Emotionen fühlt.

Leidenschaft ist der Kern um den eine gute Social Media-Marketing-Kampagne aufgebaut sein sollte. Wie bereits durch Ronaldo veranschaulicht, kommt diese Leidenschaft hier bereits mit dem Influencer mit. Der Fußball bringt den Enthusiasmus. Deutschland gilt nicht umsonst als Fußballnation, aber Fußball ist auch nicht der einzige Sport, um den sich Leute nahezu fanatisch sammeln. Sich auf einen spezifischen Sport festzulegen filtert die Zielgruppe bereits weiter runter, sie ist nicht nur Sportfans, sondern beispielsweise Handballfans, noch genauer Fans eines spezifischen Teams, oder eine Liga. So kann man nicht nur seinen Influencer nach der gewünschten Zielgruppe wählen, sondern am Influencer auch die Zielgruppe ablesen.

Micro Influencer in der Sportwelt

Nach unserer Erfahrung sind hier Micro Influencer, nach Definition üblicherweise Influencer mit weniger als 100.000 Followern, der Geheimtipp. Viel von dem, was wir tun stützt sich auf kleinere Namen mit einer sehr loyalen Follower-Basis, die mit ihrer Authentizität die Werte des Unternehmens repräsentieren können wie kein anderer. Wer in der Lage ist, eine spezifische Zielgruppe für sein Produkt auszuloten, kann einen Influencer finden, der genau deren Personas anspricht, aber nicht außerhalb der Preisklasse liegt. So kann, mit genug Erfahrung, ein enormer Mehrwert erzeugt werden.

Während große Sportler eine größere Response bekommen, ist diese selten auch nur annähernd so persönlich wie bei kleineren Follower-Nummern. Es ist kein Geheimnis, dass eine höhere Followerzahl zwar üblicherweise mehr Views insgesamt, aber weniger Engagement proportional zu Views bedeutet. Eine Studie von Markerly, die über 800.000 Instagram-Nutzer mit einbezogen hat, zeigt, dass die Engagement-Rate von Influencern mit unter 1.000 Followern, ca. 8%, bei Influencern mit 1.000-10.000 Followern auf die Hälfte, ca. 4%, sinkt. Dieser Trend wird nur stärker, je “größer” der Influencer ist. Je höher der Follower-Count, desto weiter sinkt das Engagement durch Kommentare und Likes.

Influencer mit höheren Follower-Zahlen zeigen niedrigere Engagement-Rate. – Quelle: @Markerly

Je kleiner die Community, desto enger gestrickt ist sie. Kleine Influencer wirken einfach mehr wie “reale Menschen” auf ihr Publikum, etwas das Influencer insgesamt ja von vornherein attraktiv gemacht hat. Die Vorbildfunktion und Glaubwürdigkeit kann oft deutlich stärker sein, wenn der Influencer sich weniger wie ein Promi und mehr wie jemand, den man persönlich kennen könnte anfühlt. Zielgruppenrelevante Vernetzung kann ihnen außerdem eine deutlich größere Reichweite verschaffen als man vielleicht zunächst erwarten würde. Besonders im Sport ist auch oft spezifisch der Underdog beliebt, der seinen Weg nach oben erst erkämpfen muss und ebenso Sympathie für das Unternehmen, das ihm dabei unter die Arme greift.

Auch kleine Influencer können großes erreichen. – Quelle: @5PORT

Der Wert von Micro-Influencern wurde auch schon von mehreren Marken entdeckt. Adidas ist hier ein gutes Beispiel. Als diese in 2016 ihre App “Glitch” auf den Markt brachten, eine App für Verkauf und Bewertung von speziellen Fußballschuhen, nutzten sie für diese eine ausführliche Micro-Influencer-Kampagne. Sie haben sie sogar zu einem Punkt involviert, an dem die Influencer Beiträge zum Design der App leisten konnten, was die persönliche Bindung ihres Publikums zum Produkt noch weiter stärkte.

Um Zugang zu der App zu erhalten, mussten potenzielle Nutzer zudem noch Codes von zehn verschiedenen Influencern sammeln, die Teil der Kampagne sind, was nahezu garantiert, dass sie direkt zumindest einigen von ihnen Folgen. So wird ihre Bindung zum Produkt nur gestärkt, während die Extra-Schritte und Komplexität des Prozesses die Exklusivität des Produkts erhöhen.

Influencer wie Ehsan Abassi, die noch vor einigen Jahren als kleine Influencer in solchen Micro-Programmen angefangen haben, haben durch den Support von Adidas so eine Beliebtheit in ihren Communities erreicht, dass Adidas sie inzwischen mit Stars wie Lionel Messi in weltweiten Werbekampagnen nutzt.

Inzwischen nutzt Adidas Sport-Influencer für eine Vielzahl an Kampagnen, lange nicht mehr nur eine App, bei der eine weite Bandbreite an Influencern schon auf den ersten Blick offensichtlich erscheint. Was Adidas über einige Jahre gelernt hat, können heutige Social Media Manager direkt von Anfang an richtig machen: Die Loyalität und Authentizität von Micro Influencern ist ein unignorierbarer Vorteil, wenn man sein Produkt unter ihr Publikum bringen will.

Ehsan Abassi, populärer Micro-Influencer für Adidas mit ca. 18.000 Followern – Quelle: @ehsvn021 auf Instagram

In einer New-Media-Marketing-Welt ist es oft klug auf die Erfolge der Vergangenheit zu blicken. Sportler waren schon immer beliebt als Werbeträger und jetzt, wo individuelle Sportler direkt mit ihrem Publikum interagieren können, sind sie in diesem Bereich nur noch wertvoller geworden. Ob kleinere Newcomer oder große Legenden, Sportler können, mit genug Voraussicht, einen enormen Mehrwert für Ihr Brand produzieren.

Julian Dorra ist Autor und Lektor für die Social Media Marketing-Firma 4EVERGLEN und die Sport-Influencer-Agentur 5PORT

Neben seinem Bachelor in Anglistik und mehreren kreativen Projekten arbeitet er im Moment an New Media-Marketing-Kampagnen für zahlreiche Klienten, sei es durch eigene Texte, oder durch einen kritischen Blick auf die seiner Mitarbeiter.

Bildquellen & Screenshots: 5SPORT

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