Einsatz von Mitarbeitern als „Corporate Influencer“: Die rechtliche Büchse der Pandora

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Ein Gastbeitrag von Dr. Thomas Schwenke

In dieser Ausgabe bitte ich dich, dir den Autor als den sprichwörtlichen „Advocatus Diaboli“ vorzustellen. Das heißt als jemanden, der dir ausmalt, was alles schief gehen könnte, wenn du Corporate Influencer einsetzt. Dadurch könnte  der Eindruck entstehen, es sei besser, als Unternehmen vom Thema Corporate Influencer die Finger zu lassen. Das ist jedoch nicht mein Ziel! Vielmehr soll dir der Beitrag zeigen, wie man als Unternehmen oder Behörde die möglichen Herausforderungen lösen kann. Denn in der Praxis sind Corporate Influencer an sich meiner Erfahrung nach keine Risikoquelle. Es existieren zwar rechtliche Unwägbarkeiten, um die sich jedoch die Arbeitgeber kümmern können, und es auch sollten.

Wer geschäftlich postet, haftet wie ein Unternehmen

Die sprichwörtliche „Wurzel allen Übels“ ist ein geschäftlicher Charakter der Postings von Mitarbeiter*innen. Wird dieser bejaht, treffen die Mitarbeiter*innen die Pflichten des Wettbewerbs- und des Datenschutzrechts in voller Bandbreite. Eine Zwischenstufe für gemischt privat-geschäftliches Verhalten gibt es nicht.

Bei Corporate Influencern wird zumindest ein Teil der geposteten Beiträge geschäftlicher Natur sein. Denn nur Postings eigenberuflicher Natur können als privat betrachtet werden:

  • Private Postings: Wenn Mitarbeiter*innen über eigene Erfolge, berufliches Fortkommen oder Geschichten und Szenen aus ihrem Arbeitsleben mit Kollegen etc. berichten, handeln sie noch privat – auch wenn schon dadurch gewisse mittelbare Vorteile für den Arbeitgeber entstehen können.
  • Geschäftliche Postings: Wird dagegen eine Produktvorstellung des Arbeitgebers geteilt oder es wird auf die Suche des Arbeitgebers nach neuen Azubis verwiesen, dann sind die Postings nicht mehr privater, sondern geschäftlicher Natur. 

Die Geschäftlichkeit weitet sich zudem noch auf den gesamten Social Media-Account der Corporate Influencer aus.

Impressumspflicht für Corporate Influencer-Accounts

Ob schon ein geschäftliches Posting zu einem geschäftlichen Account führt, darüber kann man sich trefflich streiten. Aber auch wenn man es bei ein paar Beiträgen verneinen würde, so müssten dann die einzelnen Beiträge ein Impressum führen. Also läuft es am Ende auf eine Impressumspflicht für Corporate Influencer-Accounts hinaus (§ 5 Abs. 1 UWG).

Allerdings werden Mitarbeiter*innen eher selten, wie es das Gesetz will, ihre eigene Privatadresse mit Straße und Hausnummer in einem Impressum angeben wollen. Hier kann der Arbeitgeber einspringen und erlauben, dass sein Impressum im Account verlinkt wird. Damit wird der Arbeitgeber für den Account des Corporate Influencers die rechtliche Verantwortung tragen. Es sollte dann zugleich vertraglich geregelt werden, dass Mitarbeiter*innen im Innenverhältnis weiterhin für private Verstöße haften.

Hinweis: Wenn Social Media Accounts per Link auf das Impressum des Arbeitgebers verweisen, dann sollte in dessen Impressum der Account auch aufgeführt sein (z. B. „Dieses Impressum gilt auch für die folgenden Social Media-Accounts: https://instagram.com/ …“). 

Kennzeichnungspflichten

Wie alle Influencer müssen auch Corporate Influencer besonders kennzeichnen, wenn ihre Beiträge wirtschaftlich auch nur mittelbar vergütet werden. Da die Vergütung das Gehalt ist und jeder weiß, dass Mitarbeiter*innen Gehälter erhalten, reicht als Kennzeichnung ein Hinweis auf die Zugehörigkeit zum Unternehmen aus (z. B. mit Zusätzen wie „mein Arbeitgeber“ oder „bei uns im Unternehmen“ oder „unser neues Produkt“). „Werbung“ und „Anzeige“ sind als Werbekennzeichen auch möglich, dürften aber eher seltener erwünscht sein.

Achtung: Die Folge der Kennzeichnungspflicht ist, dass Beiträge des Arbeitgebers nicht kommentarlos (also ohne den Hinweis auf die Zugehörigkeit zum Unternehmen) geteilt oder retweetet werden dürfen. Der Hinweis auf den Arbeitgeber in einer Accountbeschreibung ist nicht ausreichend, da zumindest öffentliche Beiträge auch ohne Blick in den Account zugänglich sind.

Datenschutzrechtliche Verantwortung

Wird ein Account geschäftlich genutzt, dann ist auch die DSGVO einschlägig. Denn nur die „Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten“ ist von dem umfangreichen Pflichtenkatalog der Datenschutzgesetze ausgenommen. Das bedeutet, dass Corporate Influencer die volle Wucht der Auskunfts-, Widerspruchsbeachtungs-, Bußgeld-, Schadensersatz- und weiterer Pflichten trifft. Auch müssen sie die Informationspflichten beachten, weshalb eine Datenschutzerklärung im Account verlinkt werden sollte.

Hinweis: Bei einigen Corporate Influencern findet sich häufig der Hinweis, dass sie „privat sprechen“ oder die Accounts „privat“ seien. So ein Hinweis kann anderweitig sinnvoll sein, hilft aber nicht gegen die Einstufung von Beiträgen als geschäftlich. Denn im Recht kommt es auf die faktische und nicht die beabsichtigte Nutzung an.

Datenschutzrechtliche Mitverantwortung für soziale Netzwerke

Zu dem Pflichtenkatalog aufgrund eigener Accountnutzung kommt auch die mögliche Mitverantwortung für die Erhebung der Daten der Accountbesucher durch die sozialen Netzwerke selbst. So hielt der EuGH Betreiber von Fanpages oder Nutzer von Social Plugins für Facebooks Datenerhebung für mitverantwortlich (EuGH, C-40/17; C-210/16). Die Datenschutzbehörden sehen die Mitverantwortung auch bei anderen Netzwerken, wie z.B. Twitter für gegeben. Auch für YouTube oder Instagram dürfte die Mitverantwortung gelten.

In der Praxis bedeutet Mitverantwortung, dass Besucher der Accounts die Corporate Influencer bzgl. der Löschung ihrer Daten bei Facebook oder einer Datenschutzauskunft in die Verantwortung nehmen könnten. Auch Datenschutzbehörden können Corporate Influencer direkt belangen. 

Hintergrund: Wenn es nach Datenschutzbehörden ginge, dann müssten fast alle nichtprivaten Social Media-Accounts abgeschaltet werden. Mit diesen strengen Drohungen gegenüber Unternehmen und Behörden möchten die Behörden mittelbar bei den Betreibern sozialer Netzwerke mehr Transparenz und eine Einschränkung ihrer Datenverarbeitung zu Werbezwecken erwirken.

Arbeitgeber müssen Mitarbeiter schützen

Zusammengefasst führt der Einsatz als Corporate Influencer zu einer Phalanx an unterschiedlichen rechtlichen Pflichten und Risiken, der sich Corporate Influencer ausgesetzt sehen (dabei ist die vorstehende Darstellung vereinfacht und nicht abschließend). Auch wenn dieses Ergebnis in Teilen diskutierbar ist, so wird es durch Ansichten von Datenschutzbehörden sowie durch Gerichtsurteile gestützt. Es sollte daher zumindest als eine Wahrscheinlichkeit betrachtet werden – in jedem Fall als eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, um als Arbeitgeber zum Schutze der Mitarbeiter*innen tätig zu werden. Es sollte eine Vereinbarung getroffen werden, in der der Arbeitgeber die Verantwortung für die geschäftlich genutzten Accounts der Mitarbeiter*innen nach außen hin übernimmt.

Tipp: Fürsorgepflichten gegenüber Mitarbeiter*innen, sei es gesundheitlicher oder wie hier rechtlicher Natur, entstehen automatisch als Nebenpflichten zu jeden Arbeitsvertrag.

Kontrolle und Verbote

Der Arbeitgeber sollte sich auch ein Recht zur Kontrolle der privaten Accounts, soweit sie geschäftlich genutzt werden, vorbehalten. Denn grundsätzlich dürfen private Accounts vom Arbeitgeber nicht kontrolliert und überwacht werden. Mitarbeiter*innen, die nicht an einem Corporate Influencer-Programm teilnehmen, sollte dagegen die inoffizielle Werbetätigkeit für den Arbeitgeber untersagt werden (z.B. in einer Social Media-Richtlinie). Denn auch inoffizielle Corporate Influencer, die zu Gunsten des Unternehmens handeln, führen zu einer Mitverantwortung des Arbeitgebers.

Hinweis: Private Profile von Mitarbeiter*innen sollten ohne einen konkreten Anlass für einen Pflichtverstoß nicht vom Arbeitgeber kontrolliert werden – auch nicht, um geeignete Kandidat*innen für ein Corporate Influencer-Programm zu suchen.

Fazit und Praxistipps

Wie zu Beginn angekündigt, habe ich euch möglichst alle Stolperfallen aufgezeigt, die ein Corporate Influencer-Programm berücksichtigen muss. Als primäre Pflicht müssen Arbeitgeber Corporate Influencer aus der „Schusslinie“ der rechtlichen Verantwortung nehmen.

Dass dabei die typischen Risiken einer geschäftlichen Onlinetätigkeit nicht ganz vermieden werden können ist möglich. Die praktische Erfahrung zeigt jedoch, dass Behörden oder Mitbewerber*innen sich, wenn überhaupt, an die Arbeitgeber richten. Das ist verständlich: Arbeitgeber profitieren von Corporate Influencern und sind die solventere Partei.

Die verbleibenden Risiken sind dem Onlinemarketing immanent. Daher ist die Einführung eines Corporate Influencer-Programms durchaus vertretbar – allerdings nur, solange der Schutz der Mitarbeiter*innen geregelt und gesichert ist.

Checkliste: Rechtliche Tipps für ein Corporate Influencer-Programm:

  • Kläre alle Mitarbeiter*innen auf, dass sie sich als Corporate Influencer melden können. Allen anderen ist es untersagt, für den Arbeitgeber werblich zu sprechen.
  • Kläre die Einführung des Programms mit Datenschutzbeauftragten und, soweit vorhanden, mit dem Betriebs- oder Personalrat ab.
  • Triff eine Vereinbarung über Haftungsübernahme nach außen, Impressums- und Datenschutzhinweispflicht, datenschutzrechtliche Verantwortung etc.
  • Regle, dass für die Privatnutzung des Accounts die Mitarbeiter*innen verantwortlich sind.
  • Weise sie auf die Beachtung der Kennzeichnungspflichten und übriger Gesetze auf.
  • Schule die Corporate Influencer auch rechtlich.
  • Überwache die Postings und informiere die Corporate Influencer über rechtliche Updates.


Dr. Thomas Schwenke, Rechtsanwalt
Was beim Thema Social Media rechtlich zu beachten ist, erklärt uns Dr. Thomas Schwenke, Rechtsanwalt in Berlin. Er berät internationale Unternehmen sowie Agenturen im Datenschutz- und Marketingrecht, ist zertifizierter Datenschutzaufitor sowie Referent, Podcaster, Buchautor und Betreiber von Datenschutz-Generator.de.

Website: drschwenke.de
Facebook: facebook.com/raschwenke
Instagram: @tschwenke
Twitter: @thsch

Titelbild: Anna Maucher über averie woodard auf Unsplash
Bildquellen: shutterstock.com/metarmorworks,
Mateus Campos Felipe auf Unsplash

Dieser Artikel erschien zuerst im SocialHub Mag – lade dir unser Social Media-Magazin hier kostenlos herunter!

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